mobile Navigation

Reportage

Blackjack im Casino Zürich: Manche trommeln nervös auf dem blauen Filz herum. Bilder: Nicolas Y. Aebi

Der gemeinsame Gegner ist die Bank

Von: Isabella Seemann

05. Januar 2016

Gambling Academy: Glück kann man nicht lernen, aber die Kunst des Glücksspiels. Casino Zürich bietet Einführungen in Roulette, Blackjack und Rocket 7 an.

Tom setzt alles auf die 17. Klack, die Kugel rollt. «Komm, komm», beschwört er sie fiebrig, «geh auf die 17.» Der berühmte Spruch ertönt: «No more bets.» Croupier Raoul stellt «Dolly» auf die Gewinnnummer 29, Schwarz, und zieht die Jetons ein. Alles verloren. Macht nichts, denn an diesem Roulettetisch wird nur zum Plausch und zum Lernen gespielt. Für die Gambling Academy brauchen die Teilnehmer kein Startgeld, niemandem droht der finanzielle Ruin, und auch die Gewinne sind eher überschaubar: Mit ein bisschen Glück werden daraus 25 Franken in Wertjetons oder ein Getränkegutschein.

Seit Oktober letzten Jahres können sich Glücksspiel-Neulinge jeden Donnerstagabend an den Tischen im oberen Stockwerk des Casinos Zürich in American Roulette, Blackjack und das Würfelspiel Rocket 7 einweihen lassen. Mit Geduld und Humor erklären Croupiers die Regeln. «Viele Leute haben vielleicht schon einmal in den Ferien ein Casino besucht, sich auch an Automaten versucht, sind dann aber verloren vor den Spieltischen herumgestanden», weiss Croupier Raoul. «Sie sind eingeschüchtert und denken, alle anderen seien Profis wie im Film.»

Roulette-Erfahrungen haben auch die wenigsten in den Gruppen, die ihr Firmenweihnachtsessen mit einem Spielkurs der Gambling Academy eingeläutet haben. Mona weiss zwar, dass man auf einzelne Zahlen und Rot oder Schwarz setzen kann, aber die vielen Kombinationsmöglichkeiten – Kolonnen, Splits oder Corners – kannte sie zuvor nicht. Wieder: Neues Spiel, neues Glück. Ruhig, mit kühlem Kopf, setzt sie zwei Dutzend 25er-Jetons auf eine Strasse, also drei aufeinanderfolgende Zahlen aus einer Querreihe des Tableaus.

Viel gewagt, viel gewonnen
Die meistgestellte Frage an der Gambling Academy kann der Croupier Raoul freilich nicht beantworten: «Wie laufe ich mit einer Million wieder raus?» Aber er hat einen Tipp: «Verantwortungsvoll und vernünftig mit dem Geld umgehen und Spass am Spiel haben.» Nach welcher Strategie man Roulette spiele, hänge von der eigenen Mentalität ab. Es gibt den Spieler, der auf irgendeine Zahl immer wieder setzt. Andere versuchen, mit komplizierten Rechnungen aus der Vergangenheit auf die Zukunft zu schliessen. Klack. Die 6. Der Croupier schiebt der jungen Frau, die auf die Strasse 4, 5, 6 gesetzt hat, einen grossen Stapel Jetons zu. Der 11-fache Einsatz. Viel gewagt, viel gewonnen. Anerkennendes Raunen ringsum. Die Spieler sind da solidarisch. Der gemeinsame Gegner ist die Bank. Die Frau selbst verzieht keine Miene, stopft die Jetons in ihre Handtasche, verlässt kühl lächelnd das Roulette und setzt sich an den Blackjack-Tisch. Sie findet «ins Casino gehen enorm chic» und schwärmt von der Aura im Saal der Grands Jeux, einer Mischung aus Verruchtheit und Eleganz. Die Herren haben sich in Schale geworfen, Damen tragen ihre Abendgarderoben zur Schau. Doch Balzstimmung kommt hier kaum auf: Wenn geflirtet wird, dann nur mit Fortuna, der Glücksgöttin. Manche trommeln dabei nervös mit den Fingerkuppen auf dem blauen Filz herum. Selten sind Anfänger so cool, dass sie mit keiner Wimper zucken, wenn ihnen die Croupiers Jetons zu- oder wegschieben.

Blackjack ist nichts anderes als ein mystifiziertes «17 und 4». Wer Karten im Wert von 21 Punkten oder jedenfalls mehr als der Gegenspieler (die Bank) zieht, gewinnt; wer unter dem Gegner bleibt oder über 21 kommt, verliert. Die Versicherungsangestellten, mit Zahlen versiert, versuchen, sich zu merken, welche Karten «raus» (die kann man also nicht mehr ziehen) und welche noch im Spiel sind. Sie wagen umso höhere Einsätze, je weiter das Spiel fortgeschritten ist, je überschaubarer damit die noch im Spiel vorhandenen Karten sind. Vielleicht seien diese supertrainierten Gehirne, die es schaffen, «die Bank» zu sprengen, auch nur ein von Marketing­managern der Casinos verbreitetes Gerücht, munkelt Tom, der seine geschenkten Chips schon verloren hat. «Das Casino gewinnt immer», spricht er eine Binsenwahrheit aus. Mona widerspricht. «Damit das Casino attraktiv bleibt, müssen auch immer wieder Spieler gewinnen.»

Sie hat 25 Franken gewonnen und will nun das neuste Spiel im Casino kennen lernen: Rocket 7, das einzige Würfelspiel, das es zu Casino-Ehren gebracht hat. Es ist eine vereinfachte Form des Würfelspiels Craps, das in Las Vegas zu den beliebtesten Casino-Spielen gehört und in zahlreichen Filmen vorkommt. Die Hauptattraktion von Rocket 7 liegt in dem zweifellos trügerischen Gefühl, sein Schicksal selber in der Hand zu haben. Rocket 7 ist ein schönes Spiel. Im Prinzip handelt es sich darum, dass der Würfler, der Shooter, mit zwei Würfeln den gleichen Wurf wiederholen muss, ehe er den statistisch häufigsten Wurf, eine 7, würfelt. Die anderen können gegen den Würfler spielen («Don’t pass line»); aber die meisten wollen jubeln und bangen mit dem, der würfelnd sein Schicksal in der Hand hat. An diesem Spieltisch sitzt keiner mit cooler Miene. Die meisten spielen also aufseiten des Würflers («Pass line»), bis sie irgendwann einmal auch selber die Würfel und ihr Glück in die Hand nehmen. Strategie, Gegner, langwierige Chancen und clevere Wetten – Rocket 7 hat all dies anzubieten. Der Einstieg ist nicht ganz leicht. Aber man kann bis zu sieben Mal an der Gambling Academy teilnehmen.

«Wenn die Einführung nicht gewesen wäre, hätte ich mich niemals hergetraut», gesteht Mona und will nun unbedingt auch das Roulette mit echtem Einsatz kennen lernen.

Gambling Academy im Casino Zürich, ­jeden Donnerstag, 18 bis 22 Uhr

Nach welcher Strategie man Roulette spielt, hängt von der Mentalität ab.

Neues Spiel, neues Glück.

Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan vom Tagblatt der Stadt Zürich!

zurück zu Reportage

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare