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Reportage

Europäischer Aal im Zoo Zürich. Seine freilebenden Artgenossen legen zu ihren Paarungs- und Laichgründen in der Sargassosee tausende Kilometer zurück – und sterben danach. Bild: Zoo Zürich; Enzo Franchini 

Der Marathonfisch

Von: Severin Dressen

16. Juli 2021

ZOO INTERN Alle zwei Wochen berichtet das «Tagblatt der Stadt Zürich» über Neues oder Wissenswertes aus dem Tiergarten. In dieser Woche geht es um Europäische Aale.

Manchmal sind die unscheinbarsten Tiere die aussergewöhnlichsten. Ein Beispiel dafür ist der Europäische Aal. Der Fisch, der aussieht wie eine Schlange, ist in der Schweiz (noch) wildlebend heimisch. Trotzdem nehmen wir ihn kaum wahr. Und bei uns im Zoo steht er oft im Schatten des Zitteraals, der die Zoogäste mit seinen Spezialfähigkeiten elektrisiert.

Reise ohne Wiederkehr

Dabei ist der Europäische Aal ein höchst erstaunliches Tier. Und höchst bedroht dazu. Die Welt-Naturschutzunion IUCN listet ihn als vom Aussterben bedroht. Das ist die letzte Stufe, ehe ein Tier ganz aus der Natur verschwunden ist. In der Schweiz machen dem Aal vor allem verbaute Flüsse und Wasserkraftwerke zu schaffen. Das hängt damit zusammen, dass dieser Fisch ein Wandervogel ist – und was für einer! Das Leben des Aals beginnt im Atlantik, in der Sargassosee östlich von Florida. Dort schlüpft er als sogenannte Weidenblattlarve aus dem Rogen (Fischei). Der Aal sieht in diesem Entwicklungsstadium ein bisschen wie ein durchsichtiges, auf der Längskante stehendes Weidenblatt aus, daher der Name. In dieser Form begibt sich der Aal auf eine tausende Kilometer lange Reise Richtung Europa. Deren Küsten erreicht er nach etwa drei Jahren. Dort entwickelt sich aus der Weidenblattlarve sodann ein etwa sieben Zentimeter langer Mini-Aal – immer noch durchsichtig. Man nennt ihn deshalb Glasaal.

Der Glasaal setzt seine Reise fort. Er verlässt das Salzwasser der Küsten und wandert über die Flüsse – und zum Teil sogar über Land! – in die Gewässer des Landesinneren, lebt nun also im Süsswasser. Man nennt ihn jetzt Steigaal oder Gelb­aal. Letzterer Name ist ein Hinweis auf seinen mittlerweile gelblich gefärbten Bauch. In den europäischen Binnengewässern wächst der Aal zum erwachsenen Tier heran. Männchen werden mit etwa sechs bis neun Jahren geschlechtsreif, Weibchen mit etwa zwölf bis fünfzehn Jahren. Bis sich der Aal zu seiner Hochzeitsreise ohne Wiederkehr aufmacht, kann es aber auch deutlich länger dauern.

Ist die Zeit zum Ablaichen gekommen, kehrt der Aal dahin zurück, wo er einst schlüpfte: in die Sargassosee. Er muss also erneut mehrere tausend Kilometer weit wandern – und diesmal auch noch gegen den Golfstrom.

Umwandlung für Arterhalt

Nebenher macht er nochmals eine dramatische Umwandlung durch. Nebst neuerlichem Farbwechsel, diesmal von grün-braun zu silbrig-grau, baut er sein Körperinneres terminal um. Sein Verdauungstrakt bildet sich komplett zurück und macht stattdessen Platz für die Geschlechtsorgane, die zuletzt allen verfügbaren Raum einnehmen. Entsprechend frisst der Aal auf seiner Heimreise immer weniger und am Ende gar nichts mehr. Hat der Aal – man nennt ihn nun Blankaal – die Sargassosee erreicht, laicht er ab. Und stirbt.

Bedrängte Einheimische

Der Europäische Aal befindet sich bei uns im Zoo im Aquarium neben der Fischotteranlage. Auch der Fischotter gehört zu den in der Schweiz ursprünglich heimischen Tieren. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgerottet, kehrt der Wassermarder nun allmählich wieder zurück.

Weitere Informationen: www.zoo.ch/naturschutz-fischotter

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