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Reportage

Angela Hüss nimmt Fahrstunden gegen die Fahrangst.

Die Angst fährt mit

Von: Ginger Hebel

06. März 2017

Verkehr: Sie haben den Brief in der Tasche, fahren aber trotzdem nicht. Fahrangst ist weit verbreitet. Doch viele sind aufs Auto angewiesen. Von Ginger Hebel

Die Knie zittern, der Puls rast. Angela Hüss klammert sich am Lenkrad fest, «wenn vor und hinter mir Lastwagen fahren, dann beklemmt mich das total.» Die 21-Jährige leidet unter Fahrangst, doch als Malerin ist sie aufs Auto angewiesen. Um ihre Ängste loszuwerden, nimmt sie Fahrstunden bei Gianni Sebestin von Let’ZHgo in Oerlikon. «Vielen macht nicht das Fahren an sich Angst, sondern die Vielfältigkeit des Stadtverkehrs mit all den Trams, Fussgängern und E-Bikes», sagt der 42-Jährige.

Fahrangst – auch bekannt als Amaxophobie – bezeichnet die Angst vor dem Auto oder vor dem Autofahren im Verkehr. Die Betroffenen malen sich in ihren Gedanken Horrorunfälle aus, meiden Autobahnen und Tunnel. Auch Angela Hüss drückt nur zögerlich aufs Gaspedal. «Hohe Geschwindigkeit verunsichert mich.» Der Kreiselverkehr treibt ihr Schweissperlen auf die Stirn, sie lässt die Kupplung darum nie los. «Ich spüre, dass sie sich in einer Stresssituation befindet undsich verkrampft», sagt Gianni Sebestin und ermutigt sie mit seiner ruhigen Art, die Kupplung nach dem Schalten loszulassen.

Auch ältere Frauen buchen bei ihm Auffrischungsfahrstunden. «Viele von ihnen sassen jahrelang nicht mehr am Steuer, weil immer der Mann fuhr. Dann ist er im Spital, sie wollen ihn besuchen, doch sie trauen sich nicht.» Denn durch die fehlende Routine schwindet das Selbstvertrauen.

Panik im Tunnel

Fahrangst ist weit verbreitet. «Es ist eine enorme Anzahl Menschen, die nicht mehr Auto fährt, weil sie Angst hat», sagt Hans Frei von Team Humm. Er arbeitet seit 30 Jahren als Fahrlehrer und hat sich auf Fahrangst spezialisiert. «Ich erhalte immer mehr Anfragen von Frauen wie Männern.» Hans Frei erzählt von einem Mann Mitte 30, der immer mit dem Auto in die Berge fährt zum Skifahren. «Im Tunnel bekam er plötzlich Panik und weiche Knie.» Er nimmt jetzt Fahrstunden gegen seine Fahrangst. «Das Vertrauen und den Glauben in die eigenen Fähigkeiten kann man neu beleben», sagt Frei. Es sei wichtig, herauszufinden, woher die Ängste kommen, um wieder Kontrolle über die eigenen Gefühle zu gewinnen. «Die Kraft der Gedanken ist nicht zu unterschätzen.»

Angela Hüss’ Fahrstunde ist zu Ende. Die Fahrt verlief gut, sie lächelt. «Ich hoffe sehr, dass ich Freude am Fahren bekomme.»

Leiden auch Sie unter Fahrangst? Schreiben Sie uns. echo@tagblattzuerich.ch

 

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