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Reportage

Ein Teil der Reinigungsequipe Region Süd (v.l.): Paolo Rizzo, Michael Kastenberger, Jose Francisco Goncalves Magalhaes, Huseyin Cetin, José Manuel Da Conceiçao Monica, Diego Linde, Radovan Baláz, Shkelqim Halili, Redaktor Christian Saggese, Gianni Cetrangolo, José Antonio Fernandes do Couto, José Luis Pereira Camilo, Pajazit Bislimi und Jörg Lenz. (Bild: Nicolas Zonvi)

Die Helden in Orange

Von: Christian Saggese

06. August 2019

Sie sorgen dafür, dass die Strassen, Trottoirs und Haltestellen der Stadt Zürich sauber sind: die 200 Mitarbeitenden der Stadtreinigung. Jährlich beseitigen sie über 9000 Tonnen Wischgut, was dem Gewicht des Eiffelturms entspricht. Und trotz der harten körperlichen Arbeit sind sie äusserst motiviert, wie «Tagblatt»-Redaktor Christian Saggese bei einem Besuch im Rahmen der Reihe «Am Puls» festgestellt hat.

Wenn die ersten Sonnenstrahlen den Boden berühren und in so mancher Wohnung der Wecker erklingt, sind sie bereits seit Stunden bei der Arbeit: die Mitarbeitenden des Geschäftsbereichs Stadtreinigung von ERZ Entsorgung + Recycling Zürich. Ab vier Uhr früh sorgen 25 der insgesamt 200 Reinigungsprofis dafür, dass noch vor dem grossen Personenaufkommen möglichst viele der über 4100 Mülleimer geleert, die Strassen sauber und die Trottoirs unter anderem von leeren Flaschen und auch Erbrochenem befreit sind.   

Einer von ihnen ist Jörg Lenz. Er ist Gruppenleiter in der Region Süd der Stadtreinigung, die insbesondere für die Sauberkeit in den Kreisen 7 und 8 zuständig ist. An jenem Montag macht er sich um sieben Uhr mit seinen Kollegen José Luis Pereira Camilo und Diego Linde auf den Weg zum See. «Das ganze Gebiet am Ufer verursacht immer am meisten Arbeit», weiss Jörg Lenz aus Erfahrung, ist er doch schon seit 20 Jahren bei der Stadtreinigung. Am Abend treffen sich dort die Jugendlichen, nicht selten mit einem Zehnerträger Bier in der Hand. «Bis 22 Uhr finden die meisten noch den Abfalleimer, danach scheint es sie zu überfordern», sagt er mit einem Lächeln im Gesicht.

Eine direkte Kritik an den Müllverursachern soll dies aber nicht sein: «Wir urteilen nicht. Letztlich rücken wir sowieso aus, egal, ob zwei oder zwanzig Flaschen dort herumliegen.» Was nicht heisst, dass man sich keine Bevölkerung wünscht, die nachhaltiger agiert. «Ich bin jetzt drei Jahre im Team und habe seither eine völlig andere Sicht auf das Thema Abfall», meint beispielsweise der 22-jährige Diego Linde. «Von Einweggeschirr und -bechern lasse ich mittlerweile bestmöglich die Finger.» Tatsächlich sei die Situation in den letzten Monaten, seit das Thema Klimaschutz überall präsent ist, deutlich besser geworden.

Ein neues Fahrzeug

Für das Trio ist der heutige Arbeitstag etwas Besonderes. Sie sind nicht mit ihrem üblichen Gefährt unterwegs, sondern mit einem neuen elektrobetriebenen Lieferwagen des Typs Nissan e-NV 200. Die Stadt wird in den kommenden vier Jahren total vierzig dieser Fahrzeuge in ihre Flotte aufnehmen, unter anderem, um den CO2-Ausstoss und den Treibstoffverbrauch zu verringern und die Lärmemissionen für die Bevölkerung zu senken. Für Jörg Lenz, Diego Linde und José Luis Pereira Camilo gilt es nun, sich mit dem Fahrzeug vertraut zu machen.

Nach Palermo und zurück

737 Kilometer öffentliche Strassen und 1080 Kilometer Fusswege pflegen die Reinigungsequipen pro Woche. Abteilungsleiter Christian Schumacher: «Dies entspricht einer Fahrt von Zürich nach Palermo und zurück.» Zudem putzen sie die Haltestellen der Zürcher Verkehrsbetriebe und entfernen Graffiti an Kunstbauten wie Stützmauern, Lärmschutzwände oder Ufermauern. Ausserdem halten sie die rund 160 öffentlichen Parkanlagen sauber und kümmern sich im Winter um die Schneeräumung. Die in den Seeanlagen gesammelten Wertstoffe führt ERZ dem Recycling zu und verbrennt den nicht rezyklierbaren Abfall im Kehrichtheizkraftwerk Hagenholz. Aus der Abwärme gewinnt ERZ klimaschonende Fernwärme, die zu zwei Dritteln CO2-neutral ist.

Weitere Zahlen: Mit 9,8 Millionen Quadratmetern hat der von der Stadtreinigung gepflegte öffentliche Grund die Fläche von 1200 Fussballplätzen. Nach schönen Tagen werden allein in den Seeanlagen bis zu 4,5 Tonnen Abfall entsorgt. Jährlich rechnet ERZ stadtweit mit über 9000 Tonnen Wischgut – dies entspricht dem Gewicht des Eiffelturms.

Ruhebedürfnisse der Anwohner als Knackpunkt

Jeweils um neun Uhr treffen sich die Mitarbeitenden der Region Süd zum Kaffee im Werkhof an der Bergstrasse. Die Stimmung ist bestens, trotz der strengen körperlichen Arbeit wird gelacht und so mancher Witz gerissen. «Unser Job ist eine wunderbare Teamarbeit mit interessanten Menschen», sagt José Luis Pereira Camilo, der sich seit 19 Jahren um ein sauberes Zürich kümmert. Allein in der Abteilung Region Süd sind sieben Nationalitäten vertreten. Und er fügt an: «Mir gefällt an der Arbeit, dass man danach stets ein Ergebnis sieht und auch von der Bevölkerung Komplimente erhält.»

Einzig beim Thema Ruhestörung gebe es ab und an eine Beschwerde. «Wir nehmen stets bestmöglich Rücksicht auf das Ruhebedürfnis der Anwohnenden», so Abteilungsleiter Christian Schumacher. Letztlich stehe das Team aber unter Zeitdruck. «Zudem müssen wir uns den örtlichen Gegebenheiten anpassen.» Er spricht damit einerseits den öffentlichen Verkehr an. Wenn die ersten Busse um fünf Uhr früh über die Strassen rollen, müssten diese Wege bereits geputzt sein, sonst könnte es zu Verkehrsbehinderungen kommen. Weiter müssten auch die stark frequentierten Plätze, wie die Bahnhof- und die Langstrasse, prioritär gereinigt werden, weshalb die Stadt im Normalfall von Innen nach Aussen gereinigt werde, sprich vom Stadtkern zu den Aussenquartierten. «Glücklicherweise lassen sich Beschwerden wegen des Lärms aber mit persönlichen Gesprächen aus dem Weg räumen, denn alle schätzen die Sauberkeit am Morgen», so Schumacher.

Einsatz auch nach Unfällen

Im Normfallfall ist die Stadtreinigung von 4 bis 22 Uhr im Einsatz. Anders sieht es bei Grossanlässen wie dem Züri-Fäscht oder der Streetparade aus, wo das Team auch nachts gefordert ist. Oder in Ausnahmefällen wie einem Wasserrohrbruch. Hier stehen Mitarbeiter im Pikettdienst bereit. Auch bei Unfällen werden sie gerufen, um nach dem Polizeieinsatz allfällige Scherben wegzuräumen. «Kein Tag gleicht dem vorherigen, das macht unseren Beruf so spannend», sagt Christian Schumacher. Die Mitarbeitenden stimmen dieser Aussage nickend zu.

Nach der halbstündigen Kaffeepause geht es weiter. Einige Mitarbeiter steigen in ein Wischfahrzeug, andere in ein Abfallsammelfahrzeug, wieder andere machen sich mit dem Besen zu Fuss auf den Weg. Da gerade Sommerferien sind, ist die Arbeit heute nicht so streng wie an anderen Tagen. Umso mehr Zeit bleibt, um sich an das neue, fast geräuschlose Elektromobil zu gewöhnen. Jörg Lenz und seine Kollegen steigen ein und machen sich wieder auf den Weg zur Seeanlage.

Neun von zehn Zürchern sind laut Aussagen der Stadt zufrieden mit der Sauberkeit in Zürich. Alle Mitarbeiter sind spürbar motiviert, dass diese Statistik auch so gut bleibt.

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