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Reportage

In diesen Wohnwagen leben die Artistinnen, Artisten und Mitarbeitenden vom Circus Knie.

Die kleine Stadt auf Rädern

Von: Ginger Hebel

22. Mai 2013

Bis 2. Juni gastiert der Circus Knie auf der Landiwiese. Die Artisten, Chauffeure, ­Schreiner und Köche hausen derzeit in ihren Wohnwagen beim Albisgüetli – ein Besuch.

Die drei Asiatischen Elefanten Delhi, Ceylon und MaPalaj haben die tägliche Morgenprobe gerade hinter sich. Jetzt fressen sie frisches Gras im beheizten Zelt und erfreuen die Mütter mit ihren Kindern, die den Zirkuszoo auf der Landiwiese besuchen. In der Manege finden von Montag bis Samstag von 9 bis 12 Uhr die öffentlichen Tierproben statt. Bereits werden Pferdenummern für die nächste Saison einstudiert. In den vier Wohnwagen auf der Landiwiese sind die Büros untergebracht, auch Materialchef Markus Schütz arbeitet hier und das bereits seit 25 Jahren. Das Herumreisen ist ihm bis heute nicht verleidet, «ich liebe die Abwechslung, die mein Beruf mit sich bringt.»

200 Mitarbeitende zählt der Circus Knie, darunter 50 Artistinnen und Artisten aus sechzehn Nationen. Viele üben Doppel- oder Mehrfachfunktionen aus, wie ­Franco Knie junior. Wenn er nicht gerade mit seinen Elefanten probt, dann arbeitet er in der Zeltstadt als Informatiker – sein ursprünglich erlernter Beruf. Unpässlich ist er praktisch nie, überhaupt ist fast nie jemand vom Ensemble krank, auch mit verstauchtem Knöchel wird aufgetreten – «the show must go on». Das wissen sie alle.

Christoph Ruckstuhl ist verantwortlich dafür, dass in der Manege nicht plötzlich das Licht ausgeht. 1000 Lampen beleuchten allein das Zirkuszelt. Der 29-Jährige ist als Chefelektriker die dritte Saison mit dabei. Er mag die Zirkuswelt, wenn auch er die Kehr­seite der Medaille mittlerweile kennt. «Wir sind acht Monate lang unterwegs, arbeiten meistens auch an den Wochenenden. Für den Kollegenkreis bleibt da wenig Zeit, das ist nicht immer einfach.» Die Artisten und Mitarbeitenden leben während der Tournee in ihren Wohnwagen, aktuell sind sie auf einem grossen Kiesplatz beim Albisgüetli stationiert.

Der Wagenpark besteht aus 27 Mannschaftswagen, 20 Materialwagen, 50 Wohnwagen und einer Schule für die Zirkuskinder. Die meisten, die mit dem Knie von Stadt zu Stadt ziehen, leben hier alleine ohne ihre Familien. Vormittags ist es ruhig in der kleinen Stadt auf Rädern, lediglich Klopfgeräusche sind auszumachen – Schreinerin Iris Liechti fertigt Requisiten für die Komiker an. Die 28-Jährige ist die sechste Saison mit dabei. «Ich entscheide von Jahr zu Jahr, ob ich weitermache. Bis jetzt gefällt es mir sehr.» Die Bernerin hat einen Wohnwagen für sich allein, kocht selber und schätzt dieses Privileg, denn viele Angestellte hausen in kleinen Abteilen. «Ich habe hier alles, was ich brauche, es ist ziemlich komfortabel.» Wenn der Knie in Bern ein Gastspiel hat, besucht sie ihre Freunde, danach zieht auch sie weiter – 43 Schweizer Städte in 8 Monaten. «Es sieht hier zwar aus wie auf einem Campingplatz, aber dieses Camper-Feeling existiert nicht, es ist Arbeit.»


Das schlechte Wetter schlägt vielen aufs Gemüt und zerrt an der Energie. Bei schönem Wetter würden die Artisten jetzt draussen vor ihren Wohnwagen sitzen, grillieren und singen, doch sie verharren alle drinnen, spielen mit ihrem Smartphone und schauen aus dem Fenster in den grauen Himmel. Lorin schreitet über den Kiesplatz. Der 22-Jährige ist das erste Jahr als Lastwagenchauffeur für den Circus im Einsatz.«Lastwagenfahren ist mein Bubentraum», erzählt er strahlend. Er bewohnt ein Abteil in einem Zirkuswagen, zwei mal zwei Meter gross. Das Bett ist für einen grossen Mann wie ihn eigentlich zu klein, aber Lorin nimmt die engen Platzverhältnisse gern in Kauf, denn seine Abenteuerlust macht das alles wett. «Ich schlafe trotzdem gut.» Im Küchenwagen schwingt Nour Eddine den Kochlöffel. Seit 28 Jahren kocht der Marokkaner für die Saisonniers – 43 000 warme Mahlzeiten pro Saison. Heute gibts Tajine, einen würzigen Eintopf aus Marokko. Nour Eddine kocht den ganzen Tag mit Spass. «Hier herrscht eine spezielle Ambiance. Es ist eine ganz andere Welt, die mir sehr gefällt.»

 

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