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Reportage

Theodor Froebel und sein Sohn Otto verzierten um 1890 die Quaipromenade mit Pflanzen. Bilder: Baugeschichtliches Archiv, Schweizer Garten

Die Kunst, Gärten anzulegen

Von: Isabella Seemann

09. Mai 2017

Ihre prächtigen Gartenanlagen geniessen die Zürcher noch heute, die Schöpfer aber sind in ­Vergessenheit geraten. Auf den Spuren von Theodor und seinem Sohn Otto Froebel, die Zürich im 19. Jahrhundert aufblühen liessen.

Obgleich Zürich von jeher von einer kleinbürgerlichen Kultur geprägt ist, keine Prunkbauten vorzuweisen hat und sich deshalb auch in der Gartenkunst nicht mit den grossartigen Inszenierungen in Paris, Wien und London messen kann, besitzt die Stadt doch erstaunlich viele grosszügige Grünanlagen. 

Aber auf wen gehen eigentlich der Rieterpark oder das Arboretum am See, der Alte Botanische Garten der Universität, die Stadelhofer- oder die Stadthausanlage zurück?, fragt sich der Flaneur beim Spaziergang durch die Stadt. Parks wachsen ja nicht einfach so. Sie sind ein Produkt der Vorstellungskraft, welche weit über ein Menschenleben hinausgehen und in die Zukunft vorgreifen. 

 

 

Diese grünen Inseln sind dem schöpferischen Geist eines Mannes aus Thüringen zu verdanken, der am 14. Juni 1834 in Zürich eintraf. Die Stadt glich damals gärtnerisch gesehen noch einem Urwald, der vom Pionier Theodor Froebel (1810–1893) erst gerodet werden musste, wie ein Zeitgenosse schrieb. Das Seeufer war Sumpfland, das von den Zürchern gemieden wurde, und Gartengestaltung spielte kaum eine Rolle. 

Doch die Zeit war reif: Die alten Befestigungsanlagen wurden abgetragen, die Flussstadt öffnete sich zum See hin, es entstand Raum für Plätze, Parks und Gärten. 

 Theodor Froebel, der sein Handwerk in bedeutenden Gärten ihrer Zeit gelernt hatte, wurde noch im Jahr seiner Ankunft zum ersten «Universitätsgärtner» Zürichs ernannt. Seine erste Aufgabe bestand er mit Bravour: Er entwarf den damals neuen öffentlichen Botanischen Garten «Zur Katz» an der jetzigen Pelikanstrasse. Nebenamtlich züchtete und verkaufte er Pflanzen, und bald schon gründete er eine Handelsgärtnerei und pachtete Land im «Neuen Seidenhof», beim heutigen Jelmoli. Die Handelsgärtnerei florierte, 1841 gab er die Stelle als Universitätsgärtner auf und kaufte in Riesbach an der Seefeldstrasse 87 Land, um eine neue, grössere Gärtnerei einzurichten, die er Froebel & Cie. nannte. In Hirslanden gründete er eine Baumschule, an die heute die Fröbelstrasse erinnert. 

 

Liebe zu den Pflanzen

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt liessen viele reiche Familien in den Vororten Fluntern und Hottingen oder in den Aussengemeinden Enge und Riesbach Villen bauen. Theodor Froebel wurde für die Gestaltung ihrer Gärten beigezogen. So entwarf er für Otto und Mathilde Wesendonck die jetzt Rieterpark genannte Anlage oder den Park der Villa Schönau in Riesbach, der 1977 zum Neuen Botanischen Garten umgestaltet wurde. 

Die Liebe zu den Pflanzen fiel nicht weit vom Stamm: Sohn Otto (1844–1906) trat nach einer Ausbildung zum Gärtner in den elterlichen Betrieb ein und übernahm ihn 1890 ganz. Neben ihren Aufträgen für Garten- und Parkanlagen betrieben Vater und Sohn eine international tätige Handelsgärtnerei. Hier kultivierten und züchteten sie Pflanzen, die erst wenige kannten, lieferten botanische Raritäten, die den Villen exotisch anmutende Gehölzkulissen boten. Die Betriebe wurden zu Pilgerorten für Pflanzenliebhaber aus ganz Europa. Heute gibt es die Gärtnerei nicht mehr, wohl aber viele der im froebelschen Betrieb entstandenen Pläne. Pünktlich zum Frühling, wenn die Schöpfungen der Froebels in voller Blüte stehen, widmet die Stadt dem Vater-Sohn-Gespann eine Ausstellung im Haus zum Rech. Denn ihr Erbe prägt Zürich noch heute.

4 Fragen an Claudia Moll, Kuratorin der Ausstellung «Teppichbeet und Promenade»

Auf welche Weise haben Froebels die Stadt Zürich geprägt? 

Claudia Moll: Theodor Froebel kam im richtigen Moment nach Zürich. Just dann konnte die Stadt expandieren – einerseits dank dem Fall der Schanzen, andererseits dank einer «geistigen» Öffnung hin zu einem wirtschaftlichen Zentrum. Die Anlagen, an deren Entstehung Vater und Sohn Froebel beteiligt waren und die dank diesem Umfeld entstanden, prägen Zürich bis heute: öffentliche Anlagen wie die Quaianlagen, aber auch die erhalten gebliebenen Privatgärten in den damaligen Aussenquartieren wie Riesbach oder Enge. Deren Gestaltung blieb an vielen Orten im Detail zwar nicht erhalten, der Baumbestand prägt die Quartiere dennoch bis heute. 

Welche Ideale schlagen in den froebelschen Parks und Gartenanlagen Wurzeln? 

Das waren die Ideale des Landschaftsgartens, der Ende des 18. Jahrhunderts in England entstanden war: die Nachempfindung natürlicher Szenerien, die eine ideale, abwechslungsreiche Landschaft suggerierten und in Kontrast zum Gebauten standen. Sie betteten die Villen der Auftraggeber ein oder bildeten grüne Inseln in den wachsenden Städten. Hinzu kam eine grosse Vielfalt an Pflanzen. Sie zeugten von der Weltgewandtheit und dem Interesse an Neuentdeckungen der damaligen Zeit. 

Inwieweit waren Vater und Sohn Froebel für ihre Zeit stilprägend? 

Theodor und Otto Froebel gestalteten im Sinne ihrer Zeit. Sie haben keinen neuen Gartenstil «erfunden», brachten aber eine Gartenkultur mit nach Zürich, die hier noch wenig verbreitet war. Die grosse pflanzliche Vielfalt, die in ihren Anlagen zum Einsatz kam, hat bestimmt das Schaffen ihrer Nachfolger in der Schweiz beeinflusst. 

Was brauchte ein Kunstgärtner, damit 100 Jahre später das entsteht, was er sich vorgestellt hat? 

Ich denke, dass da zum einen eine grosse Portion an Vorstellungskraft nötig ist – wie wird sich der Baum oder eine Baumgruppe entwickeln, wie sehen die Pflanzen an dem Ort, an dem sie gepflanzt wurden, in 100 Jahren aus? Nötig ist auch grosses Wissen um das eigene Handwerk. Der Standort muss stimmen, die Nachbarschaft, in der die Gehölze zu stehen kommen, ebenso, und nicht zuletzt muss auch die Topografie in Betracht gezogen werden. 

Ausstellung und Führungen

«Teppichbeet und Promenade – Die Zürcher Kunst- und Handelsgärtner Froebel», bis 14. Juli 2017, im Haus zum Rech, Baugeschichtliches Archiv, Neumarkt 4, 8001 Zürich 

Führungen durch die Ausstellung mit der Kuratorin Claudia Moll: 

2. Juni und 23. Juni, jeweils 12.30 bis 14 Uhr 

Führungen durch die Gärten mit der Gartendenkmalpflegerin Judith Rohrer (jeweils von 12:30 bis 14 Uhr): 

16. Mai: Quaianlagen und Arboretum. Treffpunkt: General-Guisan-Quai gegenüber Kongresshaus (beim Fischli-Brunnen) 

13. Juni: Villengärten Riesbach. Treffpunkt: Garten Villa Bleuler Zollikerstrasse 32 

4. Juli: Alter Botanischer Garten. Treffpunkt: Eingang Talstrasse/Pelikanstrasse (vor Völkerkundemuseum) 

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