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Reportage

Im Vergärwerk Werdhölzli wird aus Bioabfällen Biogas produziert und ins Gasnetz eingespeist. V.l.n.r: Peter Dietiker, Bereichsleiter Energie 360 Grad; Helmut Vetter, Geschäftsführer Biogas Zürich; Heidi Bründler; Officemanagerin; Redaktorin Ginger Hebel; Dimitris Penos, stv. Betriebsleiter; und die beiden Anlagenführer Jan Koller und Armin Kälin. Bilder: Nicolas Zonvi

Dieses Team gibt Gas

26. November 2019

Aus Abfall wird Energie: Im Vergärwerk Werdhölzli werden die Bioabfälle aus der Stadt Zürich und dem Limmattal verwertet und zu erneuerbarem Biogas aufbereitet. Dieses dient zum Heizen, Kochen und Autofahren, reduziert den CO₂-Ausstoss und schont das Klima. Redaktorin Ginger Hebel war für die Serie am Puls mittendrin.

Es riecht sehr streng im Vergärwerk. Man braucht es nicht schön reden. «Der Geruch ist intensiv, aber nicht gesundheitsschädlich. Hier passiert Gutes, denn durch die Vergärung wird die Umwelt geschont», sagt Helmut Vetter. Der Umweltingenieur ist Geschäftsführer der Biogas Zürich AG, welche das Vergärwerk Werdhölzli betreibt. Hier werden biogene Abfälle aus der Stadt Zürich und den Limmattaler Gemeinden verwertet und daraus Biogas sowie Dünger und Kompostprodukte für Landwirtschaft und Gartenbau gewonnen.

Auf dem Areal, wo es einst nur Wiesen gab und Ackerland, steht seit 2013 das modernste Vergärwerk der Schweiz. Helmut Vetter ist seit der ersten Stunde mit dabei. Früher baute er Anlagen, heute betreibt er sie. «Die Biogas­anlage Werdhölzli ist mein Baby», sagt der 56-Jährige. Der stellvertretende Betriebsleiter Dimitris Penos arbeitet Tag für Tag mehrere Stunden im Vergärwerk. «Der Geruch ist jetzt vergleichsweise angenehm. Im Sommer, wenn sich der Bioabfall durch die steigenden Temperaturen aufheizt, ist es ganz schön happig.» Dank ausgefeilter Technik dringen jedoch keine Gerüche nach draussen.

Plastik ist Gift für die Natur

2013 hat ERZ Entsorgung + Recycling Zürich die Sammlung von Gartenabfall auf biogene Küchenabfälle und Speisereste ausgedehnt. In der Stadt Zürich ist die separate Entsorgung von Bioabfall nach wie vor freiwillig. Rund 30 Prozent aller Bioabfälle landen daher noch immer im Kehrichtsack statt im Grüncontainer. «Es sind aber immer mehr Leute, die ihre Abfälle sauber trennen», freut sich Helmut Vetter. Ob Schnittblumen, Salatreste, Eierschalen oder das übrig gebliebene Schnitzel: Vieles darf in den Grünabfall, jedoch aber kein Glas, Katzenstreu, Papier oder Plastik. «Plastik ist Gift für die Natur, zudem beschädigt verschmutzter Abfall unsere Maschinen», betont Vetter.

Lastwagen um Lastwagen fährt auf dem Areal der Biogasanlage Werdhölzli vor und kippt Speisereste, Äste und Blätter in den Bunker. Aktuell herrscht Hochsaison, weil viel Laub am Boden liegt. «Sobald auch in der Stadt der erste Schnee fällt, wird der Bioabfall schlagartig weniger», sagt Helmut Vetter. 30 000 Tonnen biogene Abfälle werden jährlich in der Stadt Zürich verarbeitet. Ein vollautomatischer Greifkran befördert den Bioabfall in den Shredder, wo er zerkleinert wird. Grobstoffe kommen zur erneuten Aufbereitung zurück in den Bunker. Die Feinteile gelangen über ein Förderband zum Fermenter, wo die organischen Stoffe während eines zweiwöchigen Vergärprozesses verarbeitet werden. Das gewonnene Roh-Biogas wird in einem Kältetrockner entfeuchtet und über eine mehr als einen Kilometer lange Rohrleitung zur Biogasaufbereitungsanlage auf dem Gelände des Klärwerks geleitet. 67 Gigawattstunden Biogas werden pro Jahr in das stadtzürcher Gasleitungsnetz eingespeist. Mit diesem können rund 6700 Haushalte ökologisch beheizt werden. «Mit der Produktion von Biogas unterstützen wir den natürlichen Kreislauf, das ist nachhaltig und sinnvoll, das gefällt mir an diesem Job», sagt Anlagenführer Armin Kälin. Er arbeitete früher als Lastwagenchauffeur beim Klärwerk und machte Abwasserreinigungen. Er kann anpacken und ist hart im Nehmen, auch was unangenehme Gerüche betrifft.

Acht Personen arbeiten für die Biogas Zürich AG, darunter Heidi Bründler als einzige Frau – im Büro. «Ich hätte nichts gegen mehr Bewerbungen von Frauen», sagt Geschäftsführer Helmut Vetter und lächelt. Doch der Job im Vergärwerk ist definitiv nichts für empfindliche Nasen. Die ätherischen Öle aus dem Bioabfall, vorwiegend aus den Hölzern und Pflanzen, setzen sich – wie bei Parfüms – in der Kleidung und in den Haaren fest. Die Waschmaschinen auf dem Areal laufen auf Hochtouren. «Irgendwann riecht man es selber gar nicht mehr, aber die anderen», sagt Dimitris Penos.

Pionierarbeit im Energiewesen

Die Maschinen arbeiten vollautomatisch rund um die Uhr. Die Anlagenführer überwachen die Systeme und revidieren die Maschinen. Einige von ihnen sind gelernte Gärtner, andere bringen einen technischen Hintergrund mit, «sie müssen die komplexen Zusammenhänge verstehen», sagt Geschäftsführer Helmut Vetter. Erneuerbare Energien haben es auch Peter Dietiker angetan. Der Bereichsleiter Energie bei der Firma Energie 360 Grad setzt sich aktiv dafür ein, dass immer mehr Personen Biogas nutzen. «Biogas ist vielseitig einsetzbar, zum Kochen, Heizen und Autofahren», erklärt Peter Dietiker, der selbst ein Auto mit Biogas fährt und einen ökologischen Lebensstil pflegt. Der 49-Jährige leistete im Energiewesen Pionierarbeit.

Energie 360 Grad gehört mit Kompogas zu den Ersten, die Biogas ins europäische Gasnetz einspeisten. Sie werden weiterhin in die Zukunft investieren und den Biogasanteil im Standardprodukt per 1. Januar 2020 von 15 Prozent auf 20 Prozent erhöhen. «Wenn man sieht, wie lokale Energie aus hiesigen Abfallstoffen gewonnen wird, dann ist das eine persönliche Genugtuung», sagt Peter Dietiker. Zudem schone erneuerbare Energie das Klima. Auch Helmut Vetter ist hoch motiviert.

Er hofft, dass die Zürcherinnen und Zürcher künftig noch stärker darauf achten, ihre Abfälle sauber zu trennen und mehr Bioabfall sammeln. Dann wird er seine Biogasanlage weiter ausbauen müssen. «Bioabfälle sollte man nicht einfach wegschmeissen, sondern verwerten. Das ist alles wertvolle erneuerbare Energie, die auch noch CO₂-neutral zur Verfügung steht.»

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

 

 

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