mobile Navigation

Reportage

Przewalskipferde wie die hier im Tiergarten Nürnberg aufgenommenen Exemplare stammen aus Zentralasien. Bild: Sacha Beuth

Ein fast echtes Wildpferd

Von: Sacha Beuth

11. April 2023

TIERPORTRÄT Das Przewalskipferd oder Takhi galt lange als letzte überlebende Unterart des Urwildpferdes, von dem alle Hauspferderassen abstammen. Leider ist es aber nicht so urtümlich, wie es den Anschein macht.

Für die Wissenschaft war es eine Sensation, was 1878 der polnisch-­russische Forschungsreisende Nikolai Michailowitsch Przewalski (sprich: pschewalski) von seiner Expedition nach Zentralasien an den Hof des Zaren in St. Petersburg brachte. Denn in seinem Gepäck befanden sich Haut und Schädel einer bis dato unbekannten Pferdeart. Anhand der äusseren Merkmale – Stehmähne, Aalstrich auf dem Rücken, Mehlnase, lange Haare nur in der unteren Hälfte des Schwanzes – waren sich die Gelehrten bald einig, hier eine Unterart des echten Wildpferdes vor sich zu haben. Dieses, auch Tarpan genannt, gilt als Urahn unserer Hauspferderassen. Allerdings war die eine der bis dato bekannten Unterarten, der Waldtarpan, bereits 1814 ausgerottet worden. Die zweite Unterart, der Steppentarpan, sollte ein Jahr nach Entdeckung des Przewalskipferdes das gleiche Schicksal ereilen.

Leider war der Bestand der Przewalskipferde bereits zur Zeit ihrer wissenschaftlichen Entdeckung durch Jagd und die zunehmende Nahrungskonkurrenz durch Haustiere stark geschrumpft. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs war er auf 30 Tiere zusammengeschmolzen. 1969 wurde das letzte Exemplar in seinem natürlichen Verbreitungsgebiet – den Steppen und Halbwüsten der Mongolei und Nordchinas – gesichtet.

Ponyblut in der Zucht

Glücklicherweise waren aber zwischen 1899 und 1903 schon einige Exemplare in Zoos und ein ukrainisches Wildreservat gelangt. Dort erkannte man den Ernst der Lage und begann mit einer international koordinierten Erhaltungszucht. Obwohl die genetische Breite mit 52 Gründertieren (von denen auch nur zwölf effektiv in die Zucht involviert werden konnten) relativ bescheiden war, wuchs der Bestand in menschlicher Obhut rasch an. In den 1990er Jahren lebten rund 1500 Przewalskipferde in den Tiergärten der Welt, sodass Projekte zur Wiederansiedlung initiiert wurden. An einem dieser Projekte ist seit 1996 auch der Wildnispark Zürich-Langenberg beteiligt. Mehrere dort geborene Przewalskipferde konnten inzwischen in der Mongolei erfolgreich ausgewildert werden.

Ende gut, alles gut? – Nicht so ganz. Denn bei der Erhaltungszucht wurden zwei Linien geführt, wobei bei der einen ein Mongolisches (Haus-)Pony miteingekreuzt wurde. Zwar wurde dann das Zuchtgeschehen vermehrt auf die vermeintlich reine Münchner Linie verlagert. Doch dann gab es 2018 auch hier eine Hiobsbotschaft zu vermelden. Eine in diesem Jahr publizierte genetische Studie erbrachte, dass es sich bei den Przewalskipferden höchstwahrscheinlich um verwilderte Abkömmlinge einer in der Zeit der Botai-Kultur vor rund 5500 Jahren domestizierten Pferdegruppe handelt. Genau genommen ist das Przewalskipferd somit ein Mischling. Kein echtes Wildpferd, aber doch ursprünglicher als Mustangs, Brumbies und andere verwilderte Hauspferdtypen.

In den Schweizer Tiergärten kann man Przewalskipferde übrigens neben dem Wildnispark Zürich-Langenberg auch im Wildpark Bruderhaus in Winterthur beobachten. Ein Besuch in einem der beiden Institutionen dürfte sich gerade jetzt lohnen, da Przewalskipferde ihre Jungen grösstenteils im Frühjahr zur Welt bringen.

zurück zu Reportage

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare