mobile Navigation

Reportage

Leuchtkäfer haben Leuchtbänder auf dem sechsten und siebten ­Körpersegment. Das achte Segment trägt links und rechts einen Leuchtpunkt. Bild: Pro Natura; Hans Niederhauser

Ein leuchtender Winzling leidet wegen Kunstlicht

Von: SB/RED

08. Januar 2019

TIER DES JAHRES Pro Natura hat das Glühwürmchen zum Tier des Jahres 2019 erkoren. Der Bestand der leuchtenden Insekten nimmt nicht nur wegen des schrumpfenden Lebensraums, sondern auch wegen Lichtverschmutzung immer mehr ab.

Sein Name ist irreführend: Das Glühwürmchen ist kein Wurm, sondern ein nur etwa 10 bis 12 mm langer Käfer. Es glüht auch nicht, sondern verbreitet ein kaltes Leuchten. Deshalb heisst das Tier des Jahres 2019 korrekt «Grosser Leucht­käfer». Auserkoren wurde es von Pro Natura, weil es sich aus deren Sicht am besten eignet, die Lage der Insekten in der Schweiz zu beleuchten. Bei immer mehr Arten sind die Bestände rückläufig. Die Ursachen reichen von Lebensraumzerstörung bis – wie etwa beim Grossen Leuchtkäfer – Lichtverschmutzung.

Im Dunkeln ist gut munkeln

Der Grosse Leuchtkäfer ist in der Schweiz die häufigste von vier vorkommenden Leuchtkäferarten. Drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit es dem Glühwürmchen wohl ist. Erstens müssen Schnecken verfügbar sein. Zweitens ist ein viel­fältiges, giftfreies Mosaik aus Kleinlebensräumen nötig. Offene Stellen, schattige Plätzchen, feuchte Verstecke: Solche Strukturen bieten zum Beispiel eine traditionelle Kulturlandschaft, ein naturnaher Garten oder ein giftfrei gepflegter Friedhof oder Park. Und schliesslich braucht das Glühwürmchen etwas, das auf den ersten Blick selbstverständlich erscheint: Dunkelheit. Doch in der 24-Stunden-Gesellschaft sind dunkle Nächte keineswegs garantiert. Rund um die Uhr erleuchtete Strassen, grelle Leuchtreklamen und putzige Lämpchen im Garten sind für Glühwürmchen ein Problem. Wo die Nacht durch Kunstlicht zum Tag wird, leuchtet das Glühwurm-Weibchen nämlich vergeblich. Die Männchen finden ihre Partnerinnen nicht.

Glühwürmchen leuchten übrigens nicht ihr ganzes Leben lang. Nach dem Schlupf aus dem Ei erlebt das Insekt seine ersten zwei bis drei Winter als Larve. Im folgenden Sommer verpuppt es sich und schlüpft nach etwa einer Woche als fertiger Leuchtkäfer. Sofort entzünden die Weibchen an einem günstigen Leuchtplatz das «Landefeuer» für liebeshungrige Männchen. Das Licht in ihren Leuchtorganen am Körperende entsteht durch eine chemische Reaktion, Biolumineszenz genannt. Die Glühwürmchen-Männchen leuchten dagegen nicht. Sie überfliegen ihren Lebensraum und spähen mit grossen Augen nach dem ersehnten Liebessignal. Sobald ein Männchen bei einem Weibchen gelandet ist, erlischt das Leuchten, und die Paarung findet statt. Das Weibchen legt seine 60 bis 80 Eier am Boden, unter Gräsern, Steinen oder Holzstücken. Es stirbt anschliessend. Das Männchen lebt rund zwei Wochen. Nach einem Monat schlüpfen die Larven. In dieser Phase ernähren sich Leuchtkäfer in erster Linie von Schnecken. Wie schwarzbraune Mini-Krokodile pirschen sich die Larven an ihre oft viel grösseren Beutetiere heran. Sie töten die erbeutete Schnecke mit Giftbissen und fressen sie innert eines Tages ganz auf. So gefrässig Leuchtkäfer als Larven sind, so enthaltsam sind sie als erwachsene Tiere: Sie können keine Nahrung zu sich nehmen.

Die Larven verfügen über Abwehrgifte. Sie sind für mögliche Fressfeinde ungeniessbar und warnen diese durch aufleuchtende Lichtpunkte am Hinterleib. Das Licht ist nicht so stark wie das Paarungssignal ausgewachsener Tiere, aber auf einen bis zwei Meter gut sichtbar. Im Winter, wenn die Schnecken nicht erreichbar sind, fallen die Larven in eine Winterruhe.

Weitere Infos: www.pronatura.ch

zurück zu Reportage

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare