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Reportage

Ein Teil des Corso-Teams (v. l.): Jan Bosshard, Dominika Tomecka, Aurel Graf, «Tagblatt»-Redaktor Christian Saggese, Max Kälin, Anna Worni, David Glesti und Sara Martinovic. (Bild: Nicolas Y. Aebi )

Eintauchen in eine andere Welt

Von: Christian Saggese

14. Januar 2020

Trotz starker Konkurrenz durch Streamingdienste wie Netflix und Co sind die Kinos weiterhin beliebte Ausgangsziele. So auch das Corso beim Sechseläutenplatz. «Tagblatt»-Redaktor Christian Saggese hat das Team, das dort für einen reibungslosen Abend sorgt, im Rahmen der «Am Puls»-Reihe besucht.  

Actionreiche Weltraumschlachten, wilde Autorennen, herzerwärmende Romantik und witzige Tiere, die singen und tanzen: Wer das Kino Corso beim Sechseläutenplatz betritt, taucht für zwei Stunden ein in eine andere Welt. Auch an jenem kühlen Dezemberabend, als der neue Star-Wars-Film dort Premiere feiert. Mehrere leidenschaftliche Fans sind zu sehen, die mit Jedikostüm und Lichtschwertattrappe ausgerüstet sind. Und mittendrin im Getümmel: das junge und dynamische Corso-Team, leicht erkennbar an der schwarz-grünen Arbeitsbekleidung, das dafür sorgt, dass die Besucher einen unvergesslichen Abend erleben.

Vor ziemlich genau 125 Jahren, am 28. Dezember 1895, eröffneten die Gebrüder Lumière im Grand Café in Paris das erste Kino der Welt. Dreissig Besucher seien erschienen, heisst es in den Geschichtsbüchern, und viele davon hätten panisch den Saal verlassen, weil ihnen die Technologie des bewegten Films noch suspekt vorgekommen sei. Es war die Geburtsstunde einer Branche, die seither immer wieder totgesagt wurde. Unter anderem, als die DVDs erschienen und einem auch auf den heimischen Geräten eine tolle Filmqualität boten. Oder als Streaminganbieter wie Netflix und Amazon Prime ihren Betrieb aufnahmen. Dennoch liess sich das Kino nie unterkriegen. So generierte beispielsweise Disney letztes Jahr mit nur sieben Kinofilmen einen weltweiten Umsatz von über zehn Milliarden Dollar, was für das Unternehmen einen neuen Rekord darstellt.

Eine Chance für Studenten

«Es mag zwar bequem sein, zu Hause nur auf die Fernbedienung drücken zu müssen. Doch nirgends entfalten die Filme eine solche Energie wie in einem Kinosaal, und dies wird noch immer von vielen Menschen geschätzt», weiss Dominika Tomecka. Die 29-Jährige arbeitet seit viereinhalb Jahren im Kino Corso, in dessen denkmalgeschütztem Haus bereits seit 100 Jahren Unterhaltung der verschiedensten Art angeboten wird. Anfangs half Dominika Tomecka als Allrounderin aus, heute leitet sie als eine von drei Festangestellten die Corso-Crew. Unterstützt wird das Trio grösstenteils von Studenten, die damit ihr Taschengeld aufbessern und oft die ersten Arbeitserfahrungen sammeln. «Es ist die Vielfalt der Aufgaben, die viele im Team schätzen», sagt Tomecka. «Es gibt bei uns nicht etwa die Ticketverkäuferin, den Putzteufel und den Popcornproduzenten. So ziemlich jeder engagiert sich hier in sämtlichen Gebieten.»

Eine Ausnahme gibt es aber. Zuständig für die Technik ist in erster Linie Jan Bosshard. Wer nun aber noch die romantische Vorstellung hat, dass der 23-Jährige in einem dunklen Raum sitzt und grosse Filmrollen auf einem alten Projektor befestigt, wird enttäuscht: «Heute ist fast alles automatisiert», gewährt er einen Einblick hinter die Kulissen. Anfang der Woche wird ein Grossteil des Programmes, inklusive Werbeblöcke, digital vorbereitet. Grund dafür ist, dass es für die Filmstudios deutlich günstiger ist, ihre Werke digital auszuliefern, als analoge Filmkopien herzustellen. Und für eine grosse Kinokette wie Kitag, zu der das Corso gehört, ist es ebenfalls eine administrative Erleichterung, wenn alles über die gleichen Schnittstellen läuft.

Bereits viele Promis im Corso

Die Kitag Kino-Theater AG betreibt in der Deutschschweiz 82 Kinosäle mit rund 15 000 Sitzplätzen und ist damit Marktführerin in der Deutschschweiz. Das Corso mit seinen vier unterschiedlich grossen Sälen auf technologisch höchstem Niveau geniesst innerhalb der Gruppe aber einen sehr hohen Stellenwert. Nicht nur wegen der hervorragenden Lage im Herzen von Zürich, sondern auch aufgrund des Prestige-Charakters. Als Austragungsort des Zurich Film Festival sind schon die grössten Namen Hollywoods im Corso ein- und ausgegangen. Darauf sind auch Jan Bosshard und Dominika Tomecka sichtlich stolz. Es sei aufregend, solche prominenten Grössen hautnah zu erleben, auch wenn man kaum persönlichen Kontakt zu den Stars hat. Das sei aber auch nicht schlimm, letztlich seien Promis auch nur Menschen, so die Beiden, und kommen damit auf ihr persönliches Herzstück des Kinos zu sprechen: «Wir lieben unseren Beruf vor allem wegen dem Publikum. Hier treffen die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten aufeinander und es entstehen interessante Kontakte.» Man erlebe Kinder, die ihren ersten Film auf Grossleinwand sehen. Oder Paare bei ihrem ersten Date.

«Auch wenn hier die verschiedensten Menschen zusammentreffen, gibt es kaum Probleme», sagt Jan Bosshard. «Natürlich fällt immer mal wieder jemand negativ auf, wenn er beispielsweise bereits angetrunken im Kino erscheint. Doch wir können dies im Normalfall stets friedlich lösen.» Eine Kritik an die Besucherinnen und Besucher haben die Beiden aber doch: «Es ist schon traurig, wie selbstverständlich es geworden ist, dass man den ganzen Müll zurücklässt, obwohl wir mehr als genügend Abfalleimer haben.»

Ein gutes Jahr, aber...

2019 war für das Corso ein gutes Kinojahr, sagt Tomecka. Grosse Publikumsmagnete waren Filme wie Zwingli, Avengers: Endgame, Star Wars, Lion King, Joker oder Once Upon a Time in Hollywood. Noch immer beliebt, insbesondere bei den jüngeren Zuschauern, seien 3D-Filme. Für regelmässige Standing Ovations sorgt ein weiteres Angebot, das in Zürich exklusiv im Corso angeboten wird. Das Publikum kann Auftritte der Royal Opera und des Royal Ballet, begleitet vom Orchester des Royal Opera House, live auf der Grossleinwand erleben. Auch weitere spezielle Angebote wie die Ladies Night werden gut besucht. Trotz dieser positiven Aspekte musste man mit einer Tradition brechen. Die Spätvorstellungen wurden 2019 abgeschafft, der Trend zeige, dass diese nicht mehr so begehrt sind, sagt Kitag-Sprecherin Olivia Willi. Dennoch lasse man sich die Option offen, ab und an noch eine Nachtaufführung ins Programm zu nehmen.

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