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Reportage

Der Fischerweg – das beliebte Erholungsgebiet an der Limmat. Bild: H. Wehrli

Erholungsraum für Velofahrer und Nackte

Von: Urs Hardegger

23. August 2016

Jeder Ort in Zürich hat seine Geschichte. Das «Tagblatt» erzählt jede zweite Woche eine solche Story. Heute: Der Fischerweg.

Über vier Kilometer lang ist er, und trotzdem wohnt am Fischerweg keine Menschenseele. Nicht weiter erstaunlich für einen Uferweg, der vom Ampèresteg beim Escher-Wyss-Platz entlang der Limmat zur Stadtgrenze führt. Einsam wird es trotzdem nicht. Hier trifft sich das Freizeit-Zürich zum Stelldichein. Spazieren, joggen, Rad fahren, picknicken oder auf einem Schlauchboot Fluss und Sonne geniessen, alles ist hier zu sehen. Kein Wunder, dass der Platz an schönen Wochenenden knapp wird.

Unglaublich, wie vielfältig sich der Fischerweg präsentiert. Man braucht nur ein Stück weit stadtauswärts zu spazieren und trifft auf Wohnhäuser, Industrie, Entsorgungsanlagen, Schrebergärten, Sportplätze, eine Schule, ein Kraftwerk und ein Naturschutzgebiet. Einzigartig für Zürich ist das ­Sphères, eine leicht alternativ angehauchte Mischung aus Bar, Restaurant und Buchladen. Das Lokal lädt zum Schmökern und Verweilen ein und wendet sich mit seinen Veranstaltungen an ein kulturinteressiertes Publikum.

Gegen die Biederkeit

Die Siedlung Limmat-West steht stellvertretend für den Wandel, der in den letzten zwanzig Jahren im Zürcher Industriequartier stattfand. Auf dem Gelände, wo vor 150 Jahren der Breslauer Industrielle Rudolph Schoeller eine Textilfärberei errichtet hatte, ist das urbane Wohnen zum neuen Lebensgefühl erhoben worden. Nur ein mickriges Plätzchen ist dem Hardturm aus dem 13. Jahrhundert verblieben. Eingeklemmt zwischen Limmat-West, Eisenbahnbrücke und Limmat, widersetzt sich der Wehrturm der Vorherrschaft der «durchdesignten Biederkeit», wie ETH-Professor Christian Schmid kürzlich in der NZZ die neuen Bauten in Züri-West mit ihren «antiseptischen Oberflächen» und «reflektierenden Glasfronten» bezeichnete.

Nach dem Stauwehr taucht rechter Hand die Werdinsel auf, im hinteren Teil befindet sich eines der letzten Naturistenparadiese der Stadt. Sobald Wetter und Temperaturen es erlauben, lassen Unentwegte ihren nackten Hintern in der Sonne röten. Dies sorgte in der Vergangenheit verschiedentlich für rote Köpfe, weil es offenbar nicht alle beim textilfreien Sonnenbaden bewenden liessen. Picknickende Familien würden durch Lustgeräusche aus den Gebüschen belästigt, klagten Leserbriefschreibende. Ob unhaltbare Zustände oder masslose Übertreibung? Sicher stellt der rege benutzte Naherholungsraum an der Limmat ein knappes Gut dar, sodass unterschiedliche Nutzungsbedürfnisse sich mitunter in die Quere kommen.

Wo sind die Fischer?

Zwischen Stauwehr Zürich-Höngg und Autobahnbrücke entstand vor ein paar Jahren der Limmat-Auenpark Werdhölzli. Wie bringt man Hochwassersicherheit, Artenvielfalt und Erholungsqualität unter einen Hut? Dieses Kunststück gelang in diesem Projekt, das unter der Leitung des Kantons mit verschiedenen Partnern durchgeführt wurde. Man räumte dem Fluss mehr Platz ein, schüttete Kiesbänke auf und renaturierte das Ufer. So entstanden eine natürliche Flusslandschaft und ein Lebensraum für seltene Auenvögel, Fledermäuse, Amphibien und Fische. Auf einem 320 Meter langen Erlebnissteg kann diese Vielfalt mit allen Sinnen erfahren werden. Die Renaturierung ging nicht auf Kosten der Erholungssuchenden. Im Gegenteil, es entstanden neue Abgänge mit Sitzstufen zum Wasser, und der Uferweg wurde auf dreieinhalb Meter verbreitert, damit Flaneure und Sportler, mit und ohne Rad, besser aneinander vorbeikommen. Einzig die Hundehalter wehrten sich mit einer Petition (vorerst) erfolgreich gegen die Leinenpflicht.

Wie steht es eigentlich mit den Fischern, die dem Weg den Namen gegeben haben? Nur vereinzelt sind sie noch anzutreffen. «Bin mit der Ausbeute zufrieden», antwortet ein Angler lakonisch auf meine Nachfrage und zeigt schulterzuckend auf die zwei Egli, die Forelle und den Alet in seiner Tasche.

Lesen Sie am 7. September den Beitrag zur Engelstrasse.

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