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Reportage

ZKB-Filiale an der Langstrasse: Nicht nur Milan B. «bediente» sich hier. Nach mehreren Überfällen hat die Filiale darum ihre Schalter 2014 geschlossen. Seither gibt es dort nur noch einen Selbstbedienungsbereich mit Bancomaten. Bild: PD

Erst Bank ausrauben, dann ins Casino

Von: Isabella Seemann

17. Mai 2016

IM GERICHTSSAAL Presse und Verteidigung nennen ihn «Gentleman-Gangster», doch das zeugt eher von Bankraub-Romantik als einer realistischen Einschätzung des ZKB-Räubers Milan B.

Bankräuber beflügeln die Fantasie: Wer einen Millionencoup landet, dabei kein Blut vergiesst und der Polizei ein Schnippchen schlägt, gerät zum Volkshelden, dem in Literatur und Kino Denkmäler gesetzt werden.

Wer, wie etwa Milan B.* im Oktober 2013 morgens um acht in der ZKB-Filiale an der Langstrasse, den Bankangestellten höflich mitteilt, dies sei ein Überfall, und sich nach dem Einpacken der Barschaft zum Abschied bedankt, der wird am Ende für seine Chuzpe bewundert. Zwar hatte er die zwei Frauen mit einer Waffe bedroht, doch war sie ungeladen und ein Opfer sagte aus, dass er «nett zu uns war, zuvorkommend». Die Boulevardpresse nannte ihn «Romeo-Räuber».

Nie einen Beruf erlernt

Wie er so dasteht vor dem Richter, mit gebügelter Hose, weissem Hemd und Pullunder darüber, so akkurat frisiert, dass kein Haar aus der Reihe tanzt, sieht er aus wie ein korrekter Bankbuchhalter. Doch die einzige buchhalterische Tätigkeit seines Lebens hat er längst eingestellt: seine Banküberfälle und die hinter Gittern verbrachten Jahre zu zählen. Noch nicht mal das Geld zählte er, das er aus den Banken trug und im Casino verzockte. Rund ein Drittel seines 34-jährigen Lebens hat der in Berlin geborene Serbe im Gefängnis verbracht. Ein Drehtürgefangener, rein, raus, Banküberfall, wieder rein. Als ob er mit der Freiheit nichts anzufangen wüsste. Nüchtern, karg, emotionslos klingt alles, was er vor Gericht in perfektem Hochdeutsch erzählt. Einen Beruf hat er nie erlernt, seine Jugend verbrachte er vor Spielautomaten. Hin und wieder arbeitete er für einen Landsmann schwarz auf dem Bau, so auch in der Schweiz. Was er denn für Zukunftspläne habe, fragt der Richter. «Ich will Gärtner im Gefängnis werden.»

Mit 2,5 Millionen Franken, die er in schwarze 35-Liter-Abfallsäcke packte, spazierte Milan B. an jenem Oktobertag von der ZKB in ein nahe gelegenes Café, liess sich später vom Taxi zu einem Leder­geschäft chauffieren, wo er einen Rollkoffer erstand, und verspielte noch am gleichen Tag einen Teil im Casino Zürich. «Wie viel? Keine Ahnung. Das Geld hat keinen Wert für mich, wenn ich im Casino sitze», erklärt Milan.

Ein paar Tage nach seinem 15. Banküberfall fuhr Milan mit dem Rest der ZKB-Beute im Zug nach Serbien, wo er einen Bauernhof kaufen wollte. Sein Lebenstraum. Doch stattdessen fiel er in eine Depression und verspielte bis auf 270’000 Franken alles in den Spielhallen des Balkans. In Kroatien wurde er schliesslich verhaftet und in die Schweiz ausgeliefert. In der Untersuchungshaft stellte sich heraus, dass er auch versucht hatte mit einer Rohrbombenattrappe eine CS-Filiale am Rigiplatz zu überfallen. Doch der Bankangestellte hatte ihn buchstäblich in die Flucht geschlagen. «Da haben Sie es!», sagt Milans Pflichtverteidiger, «nicht der Bankräuber war gewalttätig, sondern der Bankangestellte.» Ein gutes Dutzend Mal nennt er seinen Mandanten bewundernd einen «Gentleman-Räuber» und beschreibt ihn als Ausbund an Tugend, der nur leider spielsüchtig sei. Bei den Straftaten handle es sich um Beschaffungskriminalität. «Aber angenehmer kann ein Banküberfall gar nicht ablaufen.»

Der Staatsanwalt meint anerkennend, der Verteidiger habe «den schwarzen Gurt im Beschönigen», aber das Gericht solle sich davon nicht blenden lassen. «Milan B. ist kein guter Bankräuber, sondern ein Bankräuber.» Wegen der Bedrohung mit der echt aussehenden Waffe und der vermeintlichen Rohrbombe hätten die Bankangestellten schwere psychische Beeinträchtigungen erlitten. Der Richter verurteilt Milan wegen Raubes und versuchten Raubes zu einer Strafe von sechs Jahren. Zudem ordnete er eine ambulante Spielsuchttherapie an, «dass Ihnen so was nicht wieder passiert». Denn: «Es ist ja kein Vergnügen, sein ganzes Leben in Haft zu verbringen.»

* alle persönlichen Angaben geändert

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