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Reportage

Von skrupellosen Taubenzüchtern verfolgt: Wanderfalke. Bild: Christian Fosserat

Filigraner Sturzflieger

Von: Isabella Seemann

17. April 2018

VOGEL DES JAHRES 2018 Der Wanderfalke ist der schnellste Greif der Welt. Sein Aussterben wurde gerade noch verhindert. Seit 2001 brütet er sogar in Zürich, auf dem Hochkamin im Kreis 5. Doch jetzt machen ihm neue Gefahren zu schaffen.

Arglos fliegt ein Ringeltäubchen über die Wiese am Waldrand. Den kleinen Punkt am Himmel weit über ihm bemerkt es erst, als es zu spät ist. Mit dem Tempo eines Hochgeschwindigkeitszugs stürzt sich der Wanderfalke auf die Taube. Ein Aufprall in der Luft, Federn stieben, der Falke beisst das Opfer in den Kopf, dann schlägt er seine Fänge in den Taubenkörper und gleitet mit ihm zu Boden. Die Ringeltaube hatte keine Chance. Sie erreicht höchstens 70 Kilometer pro Stunde. Der Wanderfalke ist das schnellste Tier der Welt. Im Steilstoss, wie das Niedersausen auf eine fliegende Beute bezeichnet wird, erreicht er 320 km/h.

Zu dünne Eierschalen

Bis auf die Antarktis besiedelt der schneidige Jäger alle Kontinente. Er galt als Prototyp einer erfolgreichen Spezies. Doch das änderte sich in den 1950er-Jahren, als die Forst- und Landwirte DDT zur Schädlingsbekämpfung einsetzten. Diese Pestizide bewirkten, dass die Schalen der Eier immer dünner wurden und die Embryonen abstarben. Die damals noch erlaubte Bejagung gab den Wanderfalken fast den Rest. Weltweit begannen Naturschützer mit Gegenmassnahmen. Doch diese griffen erst, nachdem Anfang der 1970er-Jahre der Einsatz von DDT verboten wurde. Ein umfangreiches Nachzuchtprogramm wurde begonnen, das in wenigen Jahren hervorragende Ergebnisse brachte. Der «König der Greife» befand sich wieder im Steigflug. 2010 wurde der Bestand in der Schweiz auf rund 340 Paare geschätzt.

Der besseren Sicht wegen jagen und brüten sie bevorzugt an Felswänden. Nester bauen sie nicht. So ziehen Wanderfalken auch in die Grossstädte, deren Hochhäuser ihnen die Felsen ersetzen. Mit dem neuen Lebensraum erschliessen sie sich zur Freude der Denkmalschützer eine reiche Nahrungsquelle: die Stadttauben.

Seit 2001 nisten Wanderfalken auf dem Hochkamin der Kehrichtverbrennungsanlage Josefstrasse im Kreis 5. Auf der ebenda installierten Webcam kann man live verfolgen, wie es in der Stube dieses fantastischen Flugjägers zu- und hergeht.

Nur noch 300 Brutpaare

Doch nun machen dem Wanderfalken neue Gefahren wie Vergiftungen, Windpärke oder Glasscheiben zu schaffen. «In den letzten Jahren ist der Bestand wieder rückläufig», erklärt Werner Müller, Geschäftsführer von Bird Life Schweiz. Die in Zürich ansässige Vogelschutzorganisation hat den Wanderfalken deshalb zum Vogel des Jahres 2018 erkürt. «Es braucht einen dauernden Einsatz und einen rigorosen Schutz.» Mittlerweile beträgt der Gesamtbestand der Brutpaare in der Schweiz nur noch circa 300. Vergiftungen sind für den Bestand des Wanderfalken eine ernste Bedrohung. Bird Life hat in den letzten Jahren über ein Dutzend Vergiftungsfälle registriert. Eines der Opfer war das Wanderfalken-Weibchen vom Hochkamin im Kreis 5, das vor laufender Webcam starb. In zwei Fällen kam die Polizei skrupellosen Taubenzüchtern auf die Spur, die sogenannte Kamikaze-Tauben mit Gift präparierten. Die Züchter wurden wegen Tierquälerei verurteilt. Ein Urteil, das – so hofft Bird Life – Signalwirkung erzielt und ein Ende der Vergiftungen nach sich zieht.

Vortrag «Der Wanderfalke – Vogel des Jahres 2018» von Orpheus Zürich, Verein für Vogelkunde und Naturschutz, Mittwoch, 18. April 2018, 19.30 Uhr, Zentrum Karl der Grosse, Kirchgasse 14, 8001 Zürich 

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