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Reportage

Der «FC-Zürich-Platz» vor dem Beginn eines Fussballspiels. Bild: H. Wehrli

Freiraum für einen legendären Verein

Von: Urs Hardegger

01. November 2016

Jeder Ort in Zürich hat seine Geschichte. Das «Tagblatt» erzählt jede zweite Woche eine solche Story. Heute: der FC-Zürich-Platz.

Die Tragödie stand ihren griechischen Vorbildern in nichts nach. Auch wenn sie sich schon länger angebahnt hatte, brach sie am 26. Mai wie eine Naturkatastrophe über die «Nummer eins von Zürich» herein: Der FC Zürich war nur noch zweitklassig. Zumindest für die, die sich für Fussball interessieren und den FCZ den Grasshoppers vorziehen, brach eine Welt zusammen.

Wer hat eigentlich an der Tramhaltestelle Letzigrund die Tafel «FC- Zürich-Platz» angebracht? Eine offizielle Bezeichnung ist es nicht, auch wenn die Tafel von der Stadt geduldet wird. An sich würden die treuen FCZler ja keinen Platz benötigen, denn ihr Platz soll ja bekanntlich im Stadion sein, am liebsten in der Südkurve. Die Südkürvler, das sind die rund 8000 treuen Fans, die mit spektakulären Choreografien ihre Lieblinge willkommen heissen, von der ersten bis zur letzten Minute eines Spiels mit Gesängen und Rufen ihre Mannschaft unterstützen und ohrenbetäubend pfeifen, wenn der Schiedsrichter ihre recht subjektive Regelauslegung nicht teilt. Bereits zum Ritual gehört es, dass sie bei jedem Spiel verbotene Pyros und Knallpetarden abbrennen, um danach freundlich vom Stadionsprecher ermahnt zu werden, es nicht wieder zu tun.

Der «FC Zürich-Platz», oder vielmehr das kartoffelförmige Innere des Kreisels, wo Badenerstrasse, Herdernstrassen und Letzigraben sich zusammenfinden, ist zumeist ein beschaulicher Platz. Kaum eine Tramhaltestelle bietet so viele Sitzgelegenheiten. Ästhetisch ansprechend auch die geschwungenen Dächer und die hölzernen Sitzbänke. Viel Platz, würde man meinen, doch wenn im Letzigrund eine Grossveranstaltung stattfindet, versinkt die Tramhaltestelle förmlich in den Menschenmassen. Bier trinkende, Bratwurst essende und johlende Menschen nehmen den Platz in Beschlag. Entsprechend verwüstet sieht es danach auch aus.

Goldene Zeiten

Die grössten Erfolge feierte der 1896 gegründete Fussballclub in den 1960ern/70ern und den Nullerjahren. Zwischen 1962 und 1977 wurde der Verein sechsmal Meister, fünfmal Cupsieger und schaffte es zweimal in den Halbfinal der europäischen Landesmeister. Unvergessen die Namen von Köbi Kuhn, Fritz Künzli, Rosario Martinelli, Karl Grob und wie sie alle hiessen.

Oft kritisiert wird die kühle Atmosphäre des Letzigrunds. Offene Durchgänge und eine zu grosse Distanz vom Spielfeldrand verhinderten eine anständige Geräuschkulisse, wird moniert. Das mag stimmen. Doch gilt es zu bedenken, dass das Stadion in Rekordzeit erstellt werden musste, damit es nach der Ablehnung des Hardturmstadions rechtzeitig zur Euro 2008 bereit war.

Mit dem Ruf der FCZ-Anhänger steht es nicht überall zum Besten. Von Chaoten verursachte Schlägereien mit Polizisten und andern Fangruppen waren lange Zeit an der Tagesordnung – das letzte Mal beim Cupfinal im vergangenen Mai, als vier Polizisten verletzt wurden. Ärgerlich auch, wenn Häuser und Kunstdenkmäler der Stadt durch Sprayereien und Aufkleber verunstaltet werden.

Dabei geht manchmal das kreative und verbindende Potenzial der Fankultur vergessen. Denn eines muss man den Fans lassen, sie sind ihrer Mannschaft treu geblieben. «Wo du bisch, sind mir», empfingen sie ihre Mannschaft beim ersten Spiel in der Challenge League und sangen: «I guete und i schlechte Ziite, lueg id Kurve, mir sind da, stönd immer a dinre Siite, so wirds immer wiitergah.» Inzwischen sind nicht nur die Resultate besser geworden – das war ja in der tieferen Liga zu erwarten –, auch die Atmosphäre ist friedlicher geworden. Man glaubt fast, oder möchte es zumindest gerne glauben, die kalte Dusche vom 26. Mai habe allen gutgetan. Und wer weiss, vielleicht wird es ja immer so weitergehen.

Lesen Sie am 16. November den Beitrag zur Hermann-Greulich-Strasse.

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Leserkommentare

Mildred Sturzenegger - Zitat der Redaktion:
Viel Platz, würde man meinen, doch wenn im Letzigrund eine Grossveranstaltung stattfindet, versinkt die Tramhaltestelle förmlich in den Menschenmassen. Bier trinkende, Bratwurst essende und johlende Menschen nehmen den Platz in Beschlag.
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Vor 7 Jahren 4 Monaten  · 
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