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Reportage

Generalprobe für den Chlaus und die Schmutzli

Von: Sibylle Ambs

15. November 2016

Ein roter Mantel und ein weisser Rauschebart machen noch lange keinen guten Samichlaus! Deshalb drücken die Chläuse und Schmutzli der St. Nikolausgesellschaft der Stadt Zürich jedes Jahr im November die Schulbank.

Der erste Schnee ist schon gefallen, und das Weihnachtsgebäck steht in den Regalen. Höchste Zeit für den Samichlaus, sich für die Adventszeit vorzubereiten! So beginnt dieser Samstag Mitte November für die Samichläuse und Schmutzli der St. Nikolausgesellschaft Zürich früh: Bereits um halb neun treffen sie sich in der Kantonsschule Hottingen zur Aus- und Weiterbildung und nicht zuletzt zur Einstimmung auf die kommende Chlausenzyt. Die Gesellschaft zählt 32 aktive Samichläuse, 38 Schmutzli und 50 «Eseli». Diese haben seit geraumer Zeit nicht mehr vier Beine, sondern vier Räder, einen Motor und viele PS unter der Haube. Die freiwilligen Fahrerinnen und Fahrer sind ein wichtiger Bestandteil der Teams. Ein Grossteil der Chläuse und Schmutzli sitzt heute in der Aula und wird von Präsident Dölf Hitz begrüsst. Besonders freut er sich über drei neue Schmutzli, die im Anschluss eine ausführliche Einweisung erhalten werden. Die übrigen Aktiven werden in Vierergruppen auf die Klassenzimmer aufgeteilt.

Keine Angstmacherei

Im Fokus der diesjährigen Ausbildung stehen die sogenannte Sündenliste sowie die Kunst des guten Geschichte-Erzählens. «Wir machen jährlich rund 550 Familienbesuche», so Dölf Hitz. «Im Anschluss verteilen wir Bewertungsbogen. Aufgrund der positiven und negativen Feedbacks richten wir unseren Ausbildungstag aus.» Gesamthaft machen die Chläuse und Schmutzli fast 800 Besuche in der Adventszeit.

Neben Familien kommen Kindergärten, Altersheime und Firmen dazu. Ganz besonders wichtig bei den Familienbesuchen sei natürlich die Sündenliste: Sie wird von der Mutter oder vom Vater ausgefüllt und dem Schmutzli beim Besuch ausgehändigt. Dieser muss nun rasch reagieren: Wie heisst das Kind, was sind seine Hobbys, was mag es gerne, was nicht so? Wer sitzt alles im Wohnzimmer? Wie wird der Vater genannt: Papi, Däddi oder doch Vati? Und letztlich die Sünden: Was lief gut letztes Jahr, was weniger? Der Schmutzli muss all diese Informationen schnell erfassen und daraus die Stichworte für den Samichlaus generieren. «Immer hilfreich, wenn die Liste gut leserlich ausgefüllt ist», erklärt Dölf Hitz schmunzelnd. Der Samichlaus wiederum sollte die aufgelisteten Sünden nutzen, um das Kind zu motivieren. Also nicht einfach zu rügen. Positives Feedback und nützliche Vorschläge zur Verbesserung der Defizite sind gefragt. Und natürlich eine gute Geschichte.

Inspirierende Zauberwürfel

In Zimmer 208 sitzen fünf Chläuse und lauschen den Tipps und Ausführungen ihres Lehrers, einem erfahrenen Aktivmitglied der Gesellschaft. Zur Inspiration und für die folgende Gruppenarbeit hat er einen Satz Zauberwürfel mitgebracht. Die farbigen Würfel sind mit Bildern illustriert und dienen als Hilfestellung für das Erfinden einer guten Geschichte. «Ein wichtiger Bestandteil des Ausbildungstages ist der Erfahrungsaustausch», meint Präsident Dölf Hitz. So bekommen neue Chläuse wertvolle Tipps von den Alteingeses- senen oder die langjährigen Schmutzli frischen Input von der jüngeren Gene­ration. Die «Eseli» übrigens (Fahrerinnen und Fahrer) hatten am Vorabend eine Informationsveranstaltung und sind ebenfalls gerüstet. Auch sie sind ehrenamtlich unterwegs und übernehmen alle Kosten selber. Pro Aktion kann ein «Eseli» bis zu 1000 Kilometer unter die Räder nehmen. Alle sind nach einem lehrreichen Tag bestens vorbereitet auf das strenge Programm, das sie im Dezember erwartet.

Ein Chlaus zum Zmorge

Der Zürcher Samichlaus hat noch einige wenige freie Termine: Er ist vom 27. November bis zum 12. Dezember täglich ab 9 Uhr morgens unterwegs – also wieso nicht einen Brunch mit Samichlaus und Schmutzli?

 

Ein Erlebnis, das der Claus in seinem Herzen trägt

Was ist das Schönste daran, Samichlaus zu sein?

Samichlaus: Das Beste überhaupt ist, dass ich die einzige Märchenfigur bin, die man anfassen kann. Das Christkindli ist immer schon weg, wenn man hinschaut. Der Osterhase – wer hat ihn je gesehen? Ich aber komme zu den Kindern nach Hause, sie können mich anfassen, meinen Bart streicheln, das Glöckchen läuten. Sie können mit mir reden, und ich weiss alles über sie. Ich höre ihre Versli und lobe sie für die guten Dinge, die sie das Jahr über geschafft haben. So halte ich den Traum vom Samichlaus immer weiter aufrecht.

Was machst du im Sommer?

Im Sommer erhole ich mich von der zuweilen anstrengenden Adventszeit. Pflege meinen Bart und flicke meinen Mantel. Manchmal gehe ich zusammen mit meinem Schmutzli auf Segeltörn. Und dann gilt es noch, all die Briefe zu beantworten, die mich erreichen. Manchmal habe ich kein Papier zur Hand, dann schreibe ich die Antwort auf ein Stück Baumrinde. Aber Hauptsache, all die Kinder bekommen eine Antwort von mir!

Erinnerst du dich an ein besonderes Ereignis?

In der Tat. Diese Geschichte ist nicht erfunden, sie ist wirklich wahr. Vor ein paar Jahren kam eine Mutter während des Chlaus­umzugs an der Zürcher Bahnhofstrasse zu mir. Ihr Sohn war herzkrank und hätte so gerne den Samichlaus zu Besuch. Sie aber hatte wegen der Aufregung Angst um sein Herz. Sie meinte, es müsse ein ganz, ganz lieber Chlaus sein. So machte ich mich drei Tage später, es war der 3. Dezember und zugleich der 5. Geburtstag des Jungen, auf zu ihm nach Hause. Der kleine Bub freute sich sehr. Ab diesem Zeitpunkt besuchte ich ihn während zehn Jahren jedes Jahr jeweils am 3. Dezember. Das Jahr über schrieb er mir oft Briefe und legte ab und zu sogar ein Zückerli für mein Eseli dazu. Ich schrieb ihm immer zurück. Eines Tages, an einem heissen Augusttag, bekam ich die Nachricht, dass es dem Buben sehr schlecht ginge. Obwohl es Sommer war, zog ich los und besuchte ihn ein letztes Mal. Seine Augen leuchteten auf, als ich zu ihm kam. Er strich fein über meinen Bart und läutete das Glöckchen. Zwei Tage später starb er. Dieses Erlebnis trage ich immer in meinem Herzen.

Treffen im Waldhüsli?

Chlausumzug: Sonntag, 27. November, 17 Uhr
Der feierliche Einzug des St. Nikolaus startet um 17 Uhr an der Uraniastrasse. Mit acht bis zwölf Sujetwagen und dem Märlitram geht es die Bahnhofstrasse entlang. Dabei verteilen die Samichläuse rund 16 000 Lebkuchen und haben natürlich auch Zeit, die Versli der vielen Kinder abzuhören. Dieses Jahr ist zudem die St. Nikolausgesellschaft Dübendorf dabei. Sie wird die über 70 Samichläuse und Schmutzli aus Zürich tatkräftig unterstützen.

Waldhüsli Käferberg: Freitag, 2., bis Mittwoch, 7. Dezember, täglich 10 bis 16 Uhr
Seit nunmehr 30 Jahren lädt der Samichlaus Gross und Klein in sein Waldhüsli auf dem Käferberg ein. Das romantische Blockhaus liegt mitten im Wald – ist aber zu Fuss vom Bucheggplatz oder vom Restaurant Waid bequem erreichbar. Dort empfängt der Samichlaus zusammen mit dem Schmutzli und seinen beiden Eseli die Kinder und erzählt seine Geschichten in der gemütlichen warmen Stube. Die ganz Neugierigen dürfen auf der Leiter direkt unters Dach steigen und einen Blick auf das Laubbett vom Samichlaus und Schmutzli werfen.

0800-Chlaus: Dienstag, 1., bis Freitag, 4. Dezember, 17 bis 20 Uhr
Auch der Samichlaus geht mit der Zeit: Wer keinen freien Termin mehr erwischt hat, kann sich ganz einfach mit ihm und dem Schmutzli per Telefon unterhalten. Unter der Nummer 0800 24 52 87 stehen die beiden vom 1. bis 4. Dezember jeweils von 17 bis 20 Uhr Rede und Antwort.

Red Gut zu wissen

St. Nikolausgesellschaft der Stadt Zürich

Zahlen und Fakten rund um die Chlauseneinsätze:
32 Samichläuse
38 Schmutzli
50 «Eseli» (Autofahrer/innen)
 40 Helfer (Verpflegung, Büro, Umzug, Nähen, Material)
800 Besuche (Familien, Kindergärten, Schulen, Horte, Spitäler, Altersheime, Vereine, Firmen)
700 Stunden Einsatzzeit
1500 Chlausen-Säckli
1000 Grittibänze
rund 200 ehrenamtliche Helfer rund 600 passive Mitglieder und Sponsoren
25 000 bis 35 000 Franken Direkthilfe an Bedürftige pro Jahr.

Weitere Informationen: Telefon 044 454 70 00 www.samichlaus-zuerich.ch

 

 

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Leserkommentare

Alex Schneider - cool!!!!!!!!

Vor 5 Jahren 9 Monaten  · 
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