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Reportage

Casino-Team am Roulette-Tisch: Ronny Anke, Teamleiter Service, André Zünd, Senior Duty Manager, «Tagblatt»-Redaktorin Ginger Hebel, Croupier Christoph Boo,

Glitzerwelt zwischen Lust und Frust

Von: Ginger Hebel

30. August 2018

Am Puls: Blinkende Lichter, Menschen im Spielfieber. Täglich versuchen im Casino Zürich gegen 1000 Personen ihr Glück. Sie fühlen sich magisch angezogen von den 287 Spielautomaten und den 22 Spieltischen.

Es ist diese elektrisierende Mischung aus Freude, wenn man gewinnt und Frust, wenn man verliert.

Im Casino gibt es keine Uhr und somit kein Zeitgefühl und auch kein Tageslicht, «man konzentriert sich auf den Moment, das ist das Ziel», sagt Croupier Christoph Boo. Der 31-Jährige ist einer von 60 Croupiers im Casino Zürich und seit der Eröffnung vor sechs Jahren mit dabei. Er ist ein starker Kopfrechner und hat eine gute Beobachtungsgabe. «Als Croupier darf man den Überblick nicht verlieren und nie weg vom Tisch. Nach einer Stunde lässt die Konzentration nach, dann gibt es eine zwanzigminütige Pause.» Roulette sei das beliebteste Glücksspiel, da die Gewinnchancen vergleichsweise hoch seien. Bei einem Einsatz von 10 Franken lockt ein Gewinn von 350 Franken, das reize viele. Unvergessen der Moment, als er einem Spieler 81 000 Franken auszahlte, «ich schob ihm auf einen Schlag einen Jahreslohn rüber, das war unglaublich», erzählt Christoph Boo.

Er behält auch dann die Ruhe, wenn Spieler am Tisch viel Geld und schliesslich die Contenance verlieren, fluchen und in der Wut auf den Tisch hämmern. Christoph Boo spielt selber fürs Leben gern und kann sich daher gut in die zockenden Gäste hineinversetzen. Er arbeitet, wenn andere schlafen, «eine Beziehung zu führen, ist daher nicht so einfach», sagt der Singlemann. Die heissen Sommertage hat er grösstenteils verschlafen. «Daher kommt die noble Casino-Blässe», sagt er lachend.

Marcus Jost hat das Swiss Casinos Zürich im Haus Ober an der Gessnerallee Ende 2012 miteröffnet, seit November 2017 ist er Direktor. Der 52-Jährige ist seit 31 Jahren in der Casino-Szene tätig. Geboren in Hamburg, verbrachte er einen Teil seiner Jugend im Spielcasino Travemünde an der Ostsee, in Zeiten, in denen die Portiers die Gäste noch im Frack empfingen, die Croupiers Smoking und Fliege trugen und auch die Casinobesucher sich vornehm kleideten. Anfangs galten auch im Casino Zürich Kleidervorschriften, doch als man pro Abend 200 Leute abweisen musste, weil sie keine Hemden oder Shirts mit Kragen trugen, hob man die Vorschriften auf. «Man sieht den Leuten heute nicht mehr an, ob sie Geld haben. Entscheidend ist, dass sie sich angemessen kleiden», erklärt Marcus Jost. Er ist ein begnadeter Spieler, mit seiner Frau spielt er Backgammon oft bis spät in die Nacht. «Wenn ich verliere, kommen die Emotionen hoch. Da ist pure Leidenschaft im Spiel.»

Aktuell sind schweizweit 53 000 Personen gesperrt. Wer im Casino Zürich nicht spielen darf, bekommt auch in anderen Schweizer Casinos keinen Zutritt; im Ausland hingegen schon, weil sich dort Spielsperren nicht so leicht umsetzen lassen. Marcus Jost bekommt immer wieder Anrufe verzweifelter Ehefrauen, die erzählen, dass der Gatte zu viel Geld verspiele. «Wir müssen Gäste sperren, die über ihre Verhältnisse spielen. Spielsucht ist ein Thema. Wir führen rund 650 präventive Gespräche im Jahr mit Gästen und Personen, die sich auffällig verhalten», sagt Direktor Marcus Jost.

Das Casino Zürich zählt 217 Angestellte, es herrschen flache Hierarchien, man pflegt die Du-Kultur. Mit dem Casino Baden stehe man zwar in Konkurrenz, aber eine Strategie dagegen fahre man nicht. «Unsere Mitarbeiter und unser innovatives Angebot sind unsere Aushängeschilder.»

Ardita Cakaj begrüsst als Teamleiterin Empfang die Casinobesucherinnen- und Besucher. «Wir sind die erste Anlaufstelle für unsere Gäste. Wenn sie die Rolltreppe hochkommen, möchten wir, dass sie einen Wow-Effekt haben.» Die 39-Jährige mag das schicke Ambiente und macht sich selber gerne schick. Es komme vor, dass männliche Gäste den Empfangsmitarbeiterinnen ihre Telefonnummer zustecken, «Professionalität und Höflichkeit sind aber das A und O», sagt Ardita Cakaj. Als Selbstschutz würden einige einen Ehering tragen, obwohl sie gar nicht verheiratet seien. «Dieser Trick funktioniert fast immer.»

Die Klientel im Casino ist durchmischt. Da war der Öl-Manager aus Katar, der 10 000 Franken in den Sand setzte und lachte, weil Geld für ihn keine Rolle spielte. Alle drei Tage kommt eine über 90-jährige Dame. Sie spielt aus Spass und gegen die Einsamkeit. Zuhause wartet niemand mehr auf sie.

Da sind Asiaten auf der Durchreise, Schlaflose, die bis fünf Uhr morgens das Glück herausfordern, ältere Leute, die hoffen, spielend ihre Rente aufzubessern und junge Cliquen, die spielen, essen und trinken und die gepflegte Atmosphäre geniessen.

Ronny Anke, Teamleiter Service, kümmert sich darum, dass in gastronomischer Hinsicht alle auf ihre Kosten kommen. Im Restaurant werden regelmässig Geburtstage und Junggesellenabschiede gefeiert, «hier sieht man den ganzen Querschnitt durch die Bevölkerung; Menschen mit wenig und Menschen mit viel Geld, das macht den Job so spannend», sagt der 42-Jährige.

André Zünd, 47, ist als Senior Duty Manager für die Live-Spiele zuständig. Er ist da, wenn Casinogänger Fragen zu Roulette und Black Jack haben. Mit den Stammgästen spricht er über Glück im Spiel, Ferien und Fussball. Er sei eine Spielernatur, gleichzeitig aber froh, dass Casino-Angestellte in der Schweiz selber nicht spielen dürfen. Als er in seinen Jugendjahren mit den Kumpels nach Las Vegas reiste, hatte ihm die Glitzer-Spielwelt derart imponiert, dass er beschloss, eine Karriere im Casino anzustreben. Er absolvierte die Croupier-Schule, «streng wars, denn jeder einzelne Handgriff ist vorgeschrieben.» Heute bildet er selber Croupiers aus. Seit 25 Jahren arbeitet er im Schichtbetrieb, «mit zunehmendem Alter nagt es am Körper.»

Täglich sieht er Menschen hohe Geldsummer gewinnen – und verlieren. 2016 knackte eine Mutter aus Kloten den Rekord-Jackpot von 7,5 Millionen Franken – mit einem Einsatz von 200 Franken. «Das war eine Riesen-Geschichte bei uns im Casino», erzählt Direktor Marcus Jost. Sie habe schon zu spielen aufhören wollen, als alle Lichter zu blinken begonnen hätten und die Jackpot-Fanfare ertönt sei. Das Casino gratulierte ihr, danach fuhr man die völlig aufgelöste Frau mit der Limousine zur Bank. 

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