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Reportage

Bringt die Passagiere sicher an ihr Ziel: Nachtbus-Chauffeur Heinz Stoob. Bild: SB

Im Dienst für Zürichs Nachtschwärmer

Von: Sacha Beuth

05. Januar 2016

VERKEHR Als Nachtbus-Chauffeur der VBZ hat Heinz Stoob (59) einen besonders anspruchsvollen Job. Das «Tagblatt» hat ihn eine Nacht lang begleitet.

Ein Freitag um 19.08 Uhr am Hardplatz. Heinz Stoob wechselt vor der Türe des Trolleybusses kurz zwei Worte mit seinem Kollegen, den er ablöst, und schwingt sich hinter das Steuer des 31ers. Ein paar Handgriffe, um sich einzurichten, ein «Gute Nabig mitenand» ins Mikrofon, dann geht es los Richtung Schlieren. Für den 59-jährigen hat eine weitere Nachtschicht begonnen. «Wobei der eigentliche Nachtbus-Dienst erst ab 1 Uhr erfolgt», erklärt Stoob. Die Passagiere sind denn auch keine typischen Nachtschwärmer, sondern Pendler und sogar Mütter mit Kleinkindern. «Jetzt ist es noch ruhig. Der Trubel geht meist gegen 22 Uhr los, wenn sich die Jugendlichen, bereits ordentlich mit Alkohol betankt, in den Ausgang stürzen.»

19.45 Uhr. Zügig lenkt Stoob das 25 Meter lange Gefährt durch Zürichs Strassen. Plötzlich ein Knall. Einem Kind ist ein Luftballon geplatzt. Stoob zuckt nur mit den Schultern. «So was kommt immer wieder mal vor.» Generell könne er Lärm gut ausblenden. «Nur wenn jemand ganz vorn in aller Lautstärke telefoniert, kann das irritieren und ablenken.»

21.15 Uhr. An der Haltestelle Militär-/Langstrasse tummeln sich mehrere Halbstarke. Als der Bus abfährt, schlägt einer unvermittelt mit der Faust gegen die Scheibe des Fahrzeugs. Stoob fährt unbeirrt weiter. «Würde ich anhalten und den Chaoten zur Rede stellen, würde ich die Situation nur verschärfen, und vor allem könnte ich den Fahrplan nicht einhalten.» Erst wenn es wirklich gefährlich würde, werde über die Zentrale die Polizei kontaktiert.

Sex und Zickenkrieg

22.45 Uhr. Die Fahrten zwischen Schlieren und Hegibachplatz sind ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen. Stoob übergibt den Bus am Hardplatz einem Kollegen und macht sich auf ins Restaurant Flora am Albisriederplatz, um dort ein spätes Nachtessen einzunehmen. «25 Jahre arbeite ich jetzt schon als VBZ-Buschauffeur. Und habe einiges erlebt.» Stoob erzählt von pöbelnden Männern, von einem Pärchen, das es während der Fahrt miteinander trieb, von Zickenkrieg, von besoffenen Frauen, die ihm eindeutige Angebote gemacht, und von Passagieren, die sich mitten im Bus übergeben hätten.

0.15 Uhr. In der VBZ-Garage 6 bekommt Stoob sein Fahrzeug für die Nachtbus-Strecke vom Bellevue nach Thalwil und retour zugeteilt.

1.00 Uhr. Die Nachtschwärmer eilen in die wartenden Busse am Bellevue. Viele wollen den Nachtzuschlag beim Fahrer lösen. Stoob weist die Leute zu den Automaten. «Beim Fahrer kann schon seit langem kein Nachtzuschlag mehr gekauft werden. Doch das ist bei den Leuten irgendwie noch nicht angekommen.» Kurz darauf setzen sich die Busse in Bewegung. In Stoobs Fahrzeug bleibt es die ganze Fahrt ruhig. Die Passagiere sind wohl zu müde für irgendwelche Mätzchen und wollen einfach nach Hause.

2.30 Uhr. Beim Autor machen sich ernsthafte Müdigkeitserscheingungen bemerkbar. Nicht so bei Stoob. «Irgendwann gewöhnt man sich an den Turnus. Ausserdem habe ich immer eine Flasche Cola und Früchte dabei, um mich wach zu halten.» Auf dem Weg Richtung Thalwil steigen Leonie, Christof, Felix und Linda zu, die von einer Betriebsfeier zurückkehren. Die vier plaudern aufgeregt miteinander und sind sehr dankbar für das Nachtbus-Angebot, «da ein Auto für uns nicht infrage kommt und ein Taxi viel teurer wäre».

4.55 Uhr. Der Dienst ist zu Ende und ungewöhnlich ruhig verlaufen. Stoob bringt den Bus ins Depot zurück, erledigt noch einigen Papierkram und macht sich dann mit ­seinem Privatauto auf den Nachhauseweg. «Jetzt geht es ab in die Falle», sagt er zum Abschied und wirkt dabei so frisch, als sei er eben erst aufgestanden.

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