Reportage
Immer weniger Frauen in den Zürcher Räten
Von: Sacha Beuth
Sowohl im Stadt- wie im Gemeinderat hat die Zahl der Frauen abgenommen. Das «Tagblatt» fragte beim Gleichstellungsbüro und den grossen Parteien nach den Gründen.
In den Führungspositionen vieler Branchen ist der Frauenanteil nach wie vor sehr tief. Für manche und manchen ein Umstand, der sich nicht nur im Sinne der Gleichberechtigung dringend ändern sollte. Als positives Gegenbeispiel dient oft die Politik, wo sich vielerorts immer mehr Frauen an der Spitze etablieren. Doch schaut man sich die Zürcher Lokalpolitik an, nimmt der Frauenanteil ab. Zwar hat in der Stadt sowohl im Stadtrat wie im Gemeinderat eine Frau das Präsidialamt inne. Aber waren es 2004 noch 4 Stadträtinnen, so sind es heute nur noch 2. Im Gemeinderat sinkt der Frauenanteil bereits seit über 10 Jahren konstant. Gegenwärtig stehen bzw. sitzen 41 Frauen 84 Männern gegenüber. 2002 lag das Verhältnis noch bei 47:78.
Sind die Zürcher Frauen der Politik plötzlich überdrüssig geworden? «So kann man das nicht sagen», findet Anja Derungs, Leiterin der Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich. «Politik an und für sich hat ja nichts mit dem Geschlecht zu tun. Allerdings bedingt ein politisches Amt hohes Engagement – auch am Abend. Das ist wohl für Frauen ein grösseres Problem als für Männer, weil Frauen im Durchschnitt noch immer viel stärker in der Betreuungsarbeit engagiert sind.» Hinzu komme, dass Frauen möglicherweise auch aufgrund ihres Minderheitsstatus exponierter seien.
«Braucht mehr Überzeugungsarbeit»
Michael Baumer, Präsident der FDP der Stadt Zürich, ist das Problem bekannt. «Die Situation ist zum Teil aber auch Zufall und wird sich mittelfristig sicher verbessern, weil unter den jüngeren Semestern unserer Mitglieder der Frauenanteil höher ist. Ausserdem haben wir zwar weniger Frauen im Stadtzürcher Gemeinderat – 6 gegenüber 15 Männern –, dafür wird die FDP-Fraktion im Kantonsrat bald mehrheitlich aus Frauen bestehen, wovon einige auch aus der Stadt Zürich kommen.» Seine Partei fördere die Frauen wenn immer möglich. «Wenn eine kandidieren möchte, wird sie gern auf die Liste genommen und dort auch vorne platziert.» Allerdings müsse die Frau auch dazu bereit sein. «Bei einigen potenziellen Kandidatinnen müssen wir teilweise mehr Überzeugungsarbeit leisten als bei Männern.»
Andrea Sprecher, Co-Präsidentin der städtischen SP, sieht bei diesem Thema vor allem die anderen Parteien in der Bringschuld: «Im Stadtrat sind die beiden Frauen ja von uns. Und im Gemeinderat achten wir schon lang darauf, dass die Liste bezüglich der Geschlechter möglichst ausgewogen ist, wenngleich mit 21:18 ein leichter Männerüberhang besteht. Dafür hat mit Dorothea Frei wiederum eine SP-Frau das Gemeinderatspräsidium inne.» Sprecher glaubt auch nicht, dass es am mangelnden Willen der Frauen liegt, sich für ein politisches Amt zu entscheiden bzw. es beizubehalten. «Wenn eine unserer Gemeinderätinnen zurücktrat, lag dies meist an beruflichen Gründen oder weil sie von Zürich wegzog.»
Anders klingt es bei der CVP der Stadt Zürich, für die 4 Männer und 2 Frauen im Gemeinderat sitzen. «Wir stellen fest, dass viele Frauen gar nicht so erpicht darauf sind, in der Politik vorne mitzumischen», so Markus Hungerbühler, Präsident CVP Stadt Zürich. Er bestätigt jedoch, dass auch die Parteien – inklusive seiner – mehr Sorge tragen müssen, dass beide Geschlechter auf den Wahllisten gute Plätze bekommen.
Das müsste sich vor allem die SVP zu Herzen nehmen. Von ihren 23 Gemeinderatssitzen gehört nur gerade ein einziger einer Frau. «Uns ist es wichtiger, dass wir eine Liste nach Leistung und nicht nach Quote aufstellen», betont SVP-Fraktionspräsident Roger Liebi. «Ausserdem haben wir bei den letzten Wahlen mit Nina Fehr ja eine Frau für den Stadtrat nominiert, auch wenn es ihr dafür leider nicht gereicht hat.»
«Die Grünen achten mit Zebralisten darauf, dass mittelfristig das Geschlechterverhältnis ausgeglichen ist», erzählt Markus Knauss, ehemaliger Stadtratskandidat und Mitglied der Geschäftsleitung der Grünen. «Nun stellen wir 8 Männer und 6 Frauen.» Er beobachtet aber, dass bürgerliche Parteien mehr Mühe hätten, Frauen zu finden. Die Geschlechterkonstellation im Stadtrat hänge generell davon ab, wie die Nachwuchssituation aussieht. «Wegen des kleinen Gremiums kann es aber auch zu Zufälligkeiten bei der Verteilung kommen.»
Meinungen zum Thema bitte an: echo@tagblattzuerich.ch oder per Brief mit Stichwort «Frauenanteil» an «Tagblatt der Stadt Zürich»,
Redaktion, Werdstr. 21, 8021 Zürich.
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Leserkommentare
spo ter - Es istnicht verwunderlich,dass der Frauenanteil kleiner ist.
Man sieht ja ganz langsam was für Schitt in der Stadt gebaut wird
Ich denke an Y im Hardquartier Hafenkrahn usw.