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Reportage

Im Garten vereint: Die WG-Bewohnerinnen und -Bewohner (vordere Reihe, v. l. n. r.): Marsilio Passaglia, Nadine Nitzsche mit Noa, René Reist, Silja Müller, Noemi Pellizola und Sebastian Tiefenauer. Hintere Reihe, v. l. n. r.: Madeleine Isler, Urs-Christian Handschuh und Amelie Böing.

Intrigen? "Nicht bei uns. Wir reden"

20. Juni 2017

Das «Tagblatt» porträtiert in loser Folge Menschen, die unkonventionell leben. Heute: Amelie Böing und ihre Riegelhaus-WG in Au ZH.

Ein ganzes Haus hat man selten für sich allein. Zwei Jahre lebt die gebürtige Münchnerin Amelie Böing jetzt schon in einem alten Riegelhaus in Au ZH, nur dreimal war sie allein zu Hause. «Das war schon ein seltsames Gefühl, wenn man sonst immer Leute um sich herum hat», resümiert die 30-Jährige. Sie bewohnt das Haus zusammen mit ihrem Freund René Reist, Wolfshund Elu sowie acht Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern zwischen 22 und 40 Jahren. Darunter Nadine und Kai Nitzsche mit Baby Noa und Noemi Pellizola, die zur Freude aller den nackten, weissen Wänden im Haus regelmässig einen bunten Anstrich verpasst.

Die Bewohnerinnen und Bewohner, einige sind Umweltingenieure, die in Zürich studieren oder arbeiten, haben hier alle ein eigenes Zimmer, eingerichtet nach ihren persönlichen Vorstellungen. In Amelie Böings Reich dominieren Pastelltöne, über dem Bett hängt ein Baldachin, die Wände sind geschmückt mit Fotos von ihren Reisen durch die Welt. Ihren Freund, einen passionierten Gitarrenspieler, hat sie auf einer Schlittenhundefarm in Norwegen kennen gelernt. Die 30-Jährige arbeitet als Velo-Kurierin, Hundesitterin und Webentwicklerin, kürzlich hat sie eine Plattform für Selbstständige gegründet.

«Eine WG ist eine Bereicherung»

Zusammenleben heisst Rücksicht nehmen und Kompromisse eingehen. «Man kann zusammenwohnen und sich trotzdem nie begegnen, das hätten wir nie gewollt. Wir sind eine richtige Gemeinschaft», sagt Amelie Böing und spricht damit allen aus dem Herzen. Einmal pro Woche sitzen sie abends zusammen und erzählen einander, was gerade Schönes oder eben auch weniger Schönes in ihrem Leben passiert. Sie mögen dieses Gefühl, zu wissen, dass da jemand ist, der zuhört und Anteil nimmt. Die grosse, urchige Küche ist das Herzstück des Hauses, hier begegnet man sich zwangsläufig. Derjenige, der als Erster daheim ist und Hunger hat, kocht. Amelie liebt Madeleines Pilzrisotto. Mit ihren 22 Jahren ist Madeleine Isler die jüngste Mitbewohnerin. Sie hatte zuvor schon in WGs gelebt, aber noch nie in einer grossen Gemeinschaft. «Es ist definitiv eine Bereicherung», sagt sie und kocht weiter.

Das Riegelhaus ist komplett mit Secondhandmöbeln eingerichtet und bietet ein Relax-Hippie-Zimmer mit bunten Kissen. Wo viele Menschen auf kleinem Raum zusammenleben, sind Unstimmigkeiten und Intrigen keine Seltenheit. «Aber nicht bei uns», sagt Amelie Böing, «sonst wäre es hier nicht lebenswert.» Das Motto im Haus: Wenn es Probleme gibt, spricht man sofort darüber. Ihr Wunsch: Autark leben Der Garten mit Feuerstelle ist für die WG von grosser Bedeutung. Sie interessiert sich sehr für das Element Erde.

Amelie Böing und René Reist können sich gut vorstellen, noch lange hier zu leben. Aber nicht nur. Sie träumen von einem eigenen Holzwohnwagen auf Rollen, im Dezember möchten sie einziehen. Aktuell suchen sie einen Stehplatz in der Nähe des Hauses. Sie wollen herausfinden, wie es sich anfühlt, autark zu leben, frei vom Konsumrausch. «Wir sind flexible Geister. Wir schätzen es, wenn wir alle Zelte abbrechen und weiterziehen können.»

Weitere Artikel zu dieser Wohnserie finden Sie online unter der Rubrik Reportagen.

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