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Reportage

Auf der Baustelle für den Kunsthaus-Neubau tauchte ein Stück barocke Stadtmauer auf. Bild: PD

Jüdisches Gold?

Von: Clarissa Rohrbach

25. Oktober 2016

Während der Grabungen beim Kunsthaus fand die Stadtarchäologie keinen jüdischen Friedhof. Dafür rätselhafte, vergoldete Wertsachen.

Die Rabbis standen schon bereit. Seit Jahren vermutete man, dass dort, wo der Kunsthaus-Neubau entstehen soll, ein jüdischer Friedhof unter der Erde liege. Grund für die Annahme ist das Judengässli, das vom mittelalterlichen Judenviertel auf der Höhe der heutigen Froschaugasse vor die Stadtmauern führte. Denn: Juden durften nicht in der Stadt begraben werden. Während also die Stadtarchäologen am Heimplatz zehn Meter in die Tiefe gruben, schauten ihnen Vertreter der jüdischen Gemeinschaft jeden Tag über die Schultern. Gäbe es Überreste von Menschen, hätten die Rabbis dafür gesorgt, dass diese würdevoll umgebettet würden. Den Journalisten war der Zugang zur Baustelle untersagt, man müsse die Toten respektieren, hiess es. Doch all dies war ein Fehlalarm: Man fand keinen Friedhof. Entweder wurde er beim Bau der Schanzen entfernt, oder er befindet sich woanders.

Dafür stiess die Stadtarchäologie auf Tausende Jahre Geschichte. «Die Funde erzählen von den Menschen, die hier lebten», meint Projektleiter Andreas Motschi, der letzte Woche über die Resultate der einjährigen Arbeiten informierte. So reichen die Sedimente des einst wilden Wolfbachs bis zum Ende der Eiszeit und zu den Pfahlbauern zurück. Diese wohnten zwar am See, legten aber wahrscheinlich ihre Felder hier oben an, wie Spuren von Landwirtschaft beweisen.

Stadt entsorgte Funde
Der grösste Fund in der Baugrube war ein Teil der Schanze, die 1642 gebaut wurde. Das Mauerstück – 65 Meter breit und 6 Meter hoch, samt Pforte und Grundrissen zweier Wachhäuschen – zeugt von einer Zeit, in der Zürich sich schützen musste. Tatsächlich wurde die Mauer aber 200 Jahre später, militärisch ungenutzt, abgerissen. An ihrem Platz entstand im 19. Jahrhundert das Rückhaltebecken des Wolfbachs, von dem auch Reste ans Licht kamen. Die Stadt entsorgte die Funde. Sie müssen den Untergeschossen des neuen Kunsthauses weichen.

Doch die grösste Überraschung lag unter dem Judengässli, dessen  Entwässerungsgraben und Zäune noch vorhanden waren. Auf wenigen Quadratmetern fanden die Archäologen Messer, Kettchen und Zierknöpfe, vergoldet und verziert. Die Gegenstände geben ein Rätsel auf. Vielleicht habe sie jemand vergraben, um sie zu verstecken, mutmasst Motschi. Man werde die Wertsachen weiter untersuchen. «So etwas verliert man nicht einfach so.»

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