mobile Navigation

Reportage

Junge Kicker, grosse Hoffnungen

Von: Ginger Hebel

26. November 2013

Samuel Baumgartner will Fussballer werden. Im Rahmen des Förderprojekts des FC Zürich trainiert der Zwölfjährige jeden Tag.

Mittwochnachmittag auf der Sportanlage Heerenschürli in Schwamendingen. Dutzende Buben und Mädchen in FCZ-Trikots absolvieren einen obligatorischen Leistungstest mit Ballhandling, Parcoursläufen und Wettrennen. Am Spielfeldrand stehen Heidi Fankhauser und Alexandra Marten. Ihre Söhne Jari und Jakob spielen in der U-13-Auswahlmannschaft. «Fussball ist kein Proletensport, wie das viele denken. Die Kinder lernen im Training viel für ihr späteres Leben; Anstand, Respekt und was Teamgeist bedeutet», sagen die Mütter. Nach dem Schlusspfiff sind ihre Buben bald die Letzten, die noch auf dem Rasen stehen und weiterspielen, Fussball ist für sie das Grösste – genau wie für den zwölfjährigen Innenverteidiger ­Samuel Baumgartner. Er trainiert mit 17 Jungs und einem Mädchen in einer U-13-Auswahlmannschaft.

Samuel wuchs in Argentinien auf, dort, wo der Fussball den Männern heilig ist, auch er wurde vom Fussballvirus infiziert. Als die Familie nach Zürich zog, fand sie für ihren Sohn nur mit Mühe einen Platz in einem der über­füllten Clubs. «Beim FC Unterstrass fand ein Probetraining statt, wo er als Bester abschnitt. Vor drei Jahren schaffte er den Sprung in die U-10 der FCZ Letzi­kids», erzählt sein Vater Daniel Baumgartner. Mittlerweile wurde Samuel ins Förderprojekt Footeco des FCZ auf­genommen, allein hier trainieren 171 Jungs und Mädchen.

Samuel trainiert jeden Tag im Heerenschürli, zweimal morgens und dreimal nachmittags, und wenn er nach Hause kommt, dann übt er mit dem Softball. «Ich mag die frische Luft am Morgen und die Vorstellung, dass ich Fussball spiele, wenn die anderen in der Schule sitzen.» Der Zwölfjährige besucht das Sportgymnasium, aktuell befindet er sich in der Probezeit. Wenn er im Fussball einmal nicht mehr mithalten könnte, müsste er die Schule wechseln – ein gewisser Druck. «Wenn die Eltern ihre Kinder unterstützen, dann ist das eine gute Basis. Doch auf den Fussball verlassen darf man sich nicht. Auf der Stufe U-12/U-13 ist circa jeder zehnte Spieler ein potenzielles Talent. Nur etwa 15 von 15 000 Spielern schaffen vielleicht den Durchbruch und werden Profi», sagt U-13-Glattal-Trainer Nico Barberio.

Bei der Familie Baumgartner regiert die Freude am Fussball. «Es gab Zeiten, da haben unsere drei Söhne alle Fussball gespielt, alle in einem anderen Club, das war logistisch gesehen eine Katastrophe», sagt Daniel Baumgartner. Die Wochenenden verbringt die ­Familie auf dem Fussballplatz beim Match. «Wir gehen, wenn möglich, als Familie hin. Uns ist wichtig, dass wir zusammen sind», sagt Esther Baumgartner.

«Fussball hilft in der Erziehung»

Um zu bestimmen, ob es sich bei einem Spieler um ein potenzielles Talent handelt, spielen verschiedene ­Kriterien eine Rolle; technische Fertigkeiten, taktisches Verhalten, Spielfreude und harmonische Bewegungsabläufe. «Die Entwicklung eines möglichen Talents ist stark von seinem Willen, besser zu werden, von seiner Einstellung und von seiner Fähigkeit, Fortschritte zu erzielen, abhängig», erklärt Barberio. Halbjährlich fallen Kinder aus dem Förderprogramm heraus, von Jahr zu Jahr werden es somit weniger.

In der Pubertät verlagern sich die Interessen. Viele Jungs möchten jetzt lieber mit ihren Kumpeln rumhängen, andere behalten ihr Ziel vor Augen, aber der Wachstumsschub macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Auch Samuel hat Wachstumsschmerzen; in den letzten Monaten ist er regelrecht in die Höhe geschossen. Seine Eltern unterstützen ihn, wo sie können. «Fussball ist nicht alles im Leben, er muss Freude haben», sind sie sich einig. Doch nicht alle Eltern sehen das so unverkrampft. Trainer Barberio: «Manche Eltern sind vergifteter als ihre Kinder, das ist nicht gut. Kinder sollten entspannt Fussball spielen können.»

Beim FCZ geht es aber nicht nur um den Fussball als solchen. «Wir leben ihnen Anstand und Respekt vor», sagt Nico Barberio. Samuel und seine Fussballerkollegen schütteln den Trainern und anwesenden Eltern stets die Hand, um Hallo und Tschüss zu sagen. «Sie lernen, höflich zu sein, im Team zu funktio­nieren, mit Niederlagen umzugehen, Versöhnung und Vergebung. Fussball hilft uns Eltern auch in der Erziehung», sagt Daniel Baumgartner.

Die Chance, Profifussballer zu werden, ist klein, aber sie ist da. Laut Heinz Russheim, Leiter FCZ Academy, haben in den letzten 10 Jahren 25 Männer des Förderprogramms den Sprung in die Super League geschafft, darunter Nationalspieler Ricardo Rodríguez. Davon träumt insgeheim auch Nachwuchshoffnung Samuel. «Ich will Fussballer werden. Aber ich weiss, dass es nur ganz wenige schaffen. Aber eigentlich spiele ich, weil es mir Spass macht.» 

 

Sportförderung
Die Stadt fördert den Jugendsport in den rund 200 aktiven Stadtzürcher Sportvereinen mit 2 Millionen Franken pro Jahr. 2013 wurden davon aber auch 111 250 Franken an Leistungszentren von zehn Zürcher Sportvereinen ausgerichtet. Neben dem FC Zürich sind dies: Limmat-Nixen (Synchronschwimmen), Limmat-Sharks (Schwimmen), Verein Zürcher Wasserspringer, LC Zürich (Leichtathletik), Neue Grasshopper Fussball AG, Zürcher Fechtclub (Fechten), ESCZ-Oerlikon, Team Chiper (Synchronized Skating), GCK/ZSC Nachwuchs (Eishockey) und GC Ami­citia (Handball).

zurück zu Reportage

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
3.7 von 5

Leserkommentare

Keine Kommentare