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Reportage

Lehrstellensuchender Mark Guaman (15) hat zwar einen Computer, doch im Kafi Klick gibt es Ratschläge umsonst. Bild: CLA

Klick zurück ins Leben

Von: Clarissa Rohrbach

13. September 2016

Im Kafi Klick können Armutsbetroffene gratis PC und Internet benutzen. Für viele die einzige Möglichkeit, um Wohnung oder Arbeit zu suchen.

Die Männer sind zu früh. Mit ernsten Mienen stehen sie vor dem Kafi Klick. Drinnen warten acht Computer und die Hoffnung auf ein besseres Leben. «Hola!», begrüsst sie der Geschäftsführer Fabio Weiler. Einige sprechen Spanisch, andere gebrochenes Deutsch, man schüttelt sich die Hand, man kennt sich. Die Männer holen sich einen Pfirsich und setzen sich an die Arbeitsplätze. Hier ist alles gratis. Vor allem die Ratschläge.

«Wie kann ich meinen Lebenslauf bearbeiten?», fragt Michael Ghilay aus Dietikon. Der Eritreer sucht seit zwei Jahren eine Stelle, schickt zehn Bewerbungen pro Monat ab, aber es klappt nie. Er könne zu wenig Deutsch, habe keine Erfahrung, heisst es. Weiler sitzt vor den PC und erklärt: Anhang herunterladen, speichern, Bearbeitung aktivieren. Zusammen fügen sie ein neues Foto ein. «Als Pizzaiolo zu arbeiten, ist ein grosser Wunsch von mir», steht auf der heutigen Bewerbung. Die beiden suchen nach weiteren überzeugenden Sätzen. «Ich will meine Arbeit richtig machen und bin sehr fleissig.» Ghilay schaut zufrieden auf das Word-Dokument, fügt die Zeugnisse hinzu und klickt auf Absenden. Vielleicht verändert das E-Mail ja sein Leben.

Kein Anschluss
Viele, die ins Kafi Klick kommen, haben zu Hause keinen Computer, wissen kaum, wie sie eine Maus bedienen müssen. Laut Weiler sind es Migranten, Menschen mit psychischen Krankheiten oder Suchtproblemen. «Man ist nicht einfach so arm, es gibt immer einen Grund», sagt der Ethnologe. Leute ohne Bildung und Geld hätten kaum Chancen, sich mit Computerarbeiten zu beschäftigen. Laut Bundesamt für Statistik nutzen nur die Hälfte der Leute mit einem Einkommen unter 4000 Franken das Internet; bei einem Einkommen über 10 000 Franken sind es 96 Prozent. «Kein Internet bedeutet Isolation, keinen Anschluss an die Gesellschaft», erklärt Weiler. Um diesen Teufelskreis zu brechen, gründete die IG Sozialhilfe 2009 das Kafi Klick, das Weiler zusammen mit Stephan Hochuli leitet. Manchmal bringen die Leute auch Bussen oder Krankenkassenformulare mit. «Alltägliche Bürokratie ist für sie eine grosse Hürde», sagt Weiler. Die Verzweiflung sei zum Teil gross, der Bedarf nach Unterstützung auch. «Manchmal ist es schwierig, mir einzugestehen, dass ich nur punktuell helfen kann.»

«Niederlage» gelernt
Eine ältere IV-Rentnerin stöbert in den Gratiskleidern, die an der Wand hängen. Dann zeigt sie ihr Smartphone einem der freiwilligen Helfer. Ihr Sohn habe es ihr geschenkt, aber sie verstehe nicht, wie sie die SMS lesen könne. Das Kafi Klick sei ihr Stützpunkt, hier hörten die Gedanken auf zu kreisen. Nebenan am Tisch schlürft ein Ecuadorianer Suppe. In seiner Freizeit liest er hier Onlinezeitungen auf Deutsch. Heute habe er dank des Fussballmatchs Schweiz - Portugal das Wort «Niederlage» gelernt.

Hinten an einem Computer ruft Gilbert Bimbeni nach Weiler. Er soll ihm mit der Immobilienplattform Homegate helfen. Für den Kongolesen wirds knapp: Sein Haus im Kreis 4 wird umgebaut, Ende September muss er raus. Er sucht im Kafi Klick täglich nach einer Wohnung, findet aber nichts. Mit den Zusatzleistungen, die er bekommt, kann er sich maximal eine Miete von 1100 Franken leisten. Früher habe er auf dem Bau gearbeitet, aber dann habe er sich den Rücken verletzt. Resultat der heutigen Suche: ein einziges Inserat. Bimbeni lässt es sich aus­drucken und seufzt.

Etwas gelassener nimmt es Mark Guaman aus Wallisellen. «Ich habe zwar einen Computer, aber hier helfen sie mir», sagt er und zieht seine Kopfhörer ab. Der 15-Jährige muss noch ein Jahr lang die Schule besuchen, sucht aber jetzt schon nach einer Lehrstelle als Glaser. Auf dem Eignungstest, den er gerade ausfüllt, fragt man ihn, was er im Leben erreichen wolle. Der Ecuadorianer schreibt und lässt dann den Text korrigieren. «Früher wollte ich Polizist werden und den Leuten helfen, aber jetzt möchte ich einfach einen guten Beruf lernen und eine Familie mit zwei Kinder haben.» Nur ein Fallfehler, tipptopp.

Am 21. September ist im Kafi Klick ab 15 Uhr Tag der offenen Tür.

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