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Reportage

Wundernetz: Elastische Blutgefässe schützen Giraffen vor Blutüberdruck beziehungsweise -unterdruck im Gehirn, wenn das Tier in die Knie geht. Bild: Zoo Zürich / Enzo Franchini 

Langbeinige Grazien mit Stützstrümpfen

Von: Severin Dressen

29. September 2020

ZOO INTERN Alle zwei Wochen berichtet das «Tagblatt der Stadt Zürich» über Neues oder Wissenswertes aus dem Tiergarten. In dieser Woche geht es um das Herz-Kreislauf-System von Giraffen.

Das grösste aller heute lebenden Landsäugetiere ist die Giraffe. Mit einer Höhe von bis zu sechs Metern überragt sie alle anderen bei weitem, selbst die auch nicht gerade kleinen Elefanten. Das Leben auf langen Beinen (ca. 1,8 Meter) und mit einem noch längeren Hals (bis zu 2,5 Meter) stellt dabei besondere Anforderungen an das Herz-Kreislauf-System. So muss das Herz fähig sein, das Blut bis in den weit entfernten Giraffenkopf hinaufzupumpen. Unten in den Beinen wiederum müssen die Gefässe einem konstant hohen Blutdruck standhalten. Und schliesslich braucht es spezielle Vorkehrungen, um das Hirn zu schützen, wenn die Giraffe ihren Kopf zum Trinken zu Boden senkt – immerhin ein Höhenunterschied von fünf bis sechs Metern. Wer sich selber schon mal kopfunter gebückt oder einen Kopfstand gemacht hat, weiss, wie sehr man nur schon ein bis zwei Meter im Kopf spürt.

Überraschenderweise ist das Herz der Giraffe nicht übermässig gross. Es hat ein ähnliches Verhältnis zum Körpergewicht wie bei vielen anderen Säugetieren: Seine Masse entspricht ungefähr einem halben Prozent des Körpergewichts, namentlich rund 12 bis 13 Kilogramm. Um das Blut bis in den Kopf hinaufpumpen zu können, hat das Giraffenherz eine besonders stark ausgeprägte linke Herzkammer. In Ruhe schlägt es etwa 60 bis 90 Mal pro Minute, also gleich oft oder leicht schneller als beim Menschen. Im Verhältnis zur Grösse der Giraffe betrachtet, ist diese Herzfrequenz ungewöhnlich hoch, denn in der Regel schlägt das Herz langsamer, je massiger eine Tierart ist – beim Elefanten etwa 30 Mal pro Minute, beim Blauwal gerade noch 10 Mal.

Enormer Bluthochdruck

Der Blutdruck der Giraffe ist vermutlich der höchste aller Säugetiere. Er beträgt etwa 280 zu 180 mm Hg (Mensch: 120/80). So ist er stark genug, um auch im Kopf oben noch einen ausreichenden arteriellen Mitteldruck zu erzeugen. In den Fussarterien der Giraffe herrscht durch die Schwerkraft ein hoher Druck von etwa 400 mm Hg (Mensch: 200). Damit die Beine der Giraffe trotzdem unversehrt bleiben, haben die Beinarterien besonders dicke Wände. Ausserdem ist die Haut an den Giraffenbeinen sehr straff und übernimmt eine Stützstrumpf-ähnliche Funktion.

Dramatisch wird es, wenn die Giraffe den Kopf zum Trinken senkt. Dann herrscht dort plötzlich der gleich hohe Druck wie in den Füssen. Um das Hirn in dieser Situation zu schützen, verfügt die Giraffe über ein Netz elastischer Blutgefässe (ein sogenanntes «Rete mirabile», Wundernetz), die bei Druckanstieg Blut aufnehmen können – man kann sich das einem Schwamm ähnlich vorstellen. Ausserdem verfügen die Venen über Klappen, die verhindern, dass bereits «verbrauchtes» Blut, das sich auf dem Weg zurück ins Herz befand, beim Senken in den Kopf zurückfliesst. Geht der Kopf schliesslich wieder hoch, stellt die Elastizität der Gefässwände sicher, dass ausreichend Blut im Kopf zurückgehalten wird und keine Blutleere entsteht.

Eine Wiederkäuerin

Die Giraffe hat mit ihrem langen Hals auch einen langen «Schluckweg» – und diesen geht die Nahrung gleich mehrmals, denn die Giraffe ist eine Wiederkäuerin. Sie hat also einen vierteiligen Magen (Pansen, Netzmagen, Blättermagen und Labmagen), genau wie eine Kuh oder ein Schaf, und zerkaut ihre Nahrung mehrfach.

Weitere Infos: www.zoo.ch/lewa

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