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Reportage

Schawinski rudert mit den Armen, Köppel kneift die Augen zu: Die beiden Rogers trafen sich nach ihrem Streit zum ersten Mal wieder im Papiersaal. Bild: Nicolas Y. Aebi

"Lieber Roger, an mir liegt es nicht"

Von: Clarissa Rohrbach

03. Februar 2015

Nach dem Streit um Andreas Thiels Islamkritik trafen Schawinski und Köppel am Montag im Papiersaal erstmals wieder zusammen. Wie reagierte das Publikum bei "Roger gegen Roger"?

Roger Köppel ist es nicht ganz wohl. Verkabelt steht er auf der Bühne, Krawatte und polierte Schuhe, faltet die Hände in denkerischer Pose vor seinen dicken Brillengläsern, steckt sie in die Hosentaschen und greift dann wieder nach seinem Wasserglas. Alles kerzengerade. «Meinst du, er kommt doch nicht?» Das Publikum im Papiersaal zweifelt einen Moment lang, ob die «Relaunch-Sendung», wie sie Roger Schawinski nennt, überhaupt zustande kommt. Seit Jahren zoffen sich die beiden Journalisten in «Roger gegen Roger» auf Radio 1. Doch die letzten drei Wochen fiel der Talk aus. Grund: Wegen der Skandal-Fernsehsendung mit Satiriker Andreas Thiel streiten die beiden. Nachdem sich Schawinski und Thiel vor laufender Kamera wegen dessen Islamkritik in der «Weltwoche» beleidigten, wollte Köppel, der Chefredaktor, einen Artikel abdrucken, in dem es laut Schawinski nicht genügend Platz für seine Sicht gab.


«Unsere Anwälte reden miteinander; schauen wir, wie es weitergeht, wir sind selber gespannt.» Schawinski kommt direkt aus Indien, wo er offenbar meditiert hat. Er trägt Jeans und ein zerknautschtes Hemd und fordert die Anwesenden zum Applaus auf, auch für den Schluss, «falls wir es einigermassen schaffen». Im Raum ertönt noch kurz die Staumeldung im Gubrist, dann der Trailer zur Sendung: Beide Showmänner lächeln.


«Am 15. Januar um 10 Uhr 30 ist die Bombe geplatzt, die Nationalbank hat den Mindestkurs aufgehoben, und du hast das euphorisch begrüsst.» Erstes Thema: Schawinski schaut zu Köppel, Köppel nicht zu Schawinski und meint, die geldpolitische Unabhängigkeit der Schweiz sei gut, Selbstbestimmung habe unser Land immer gerettet. Das Publikum klatscht und johlt, Schawinski erinnert an die direkte Demokratie und kritisiert, dass in diesem wichtigen Entscheid das Volk nichts mitzureden hatte. «Das hast du sehr gut eingeschätzt, ich wünschte mir immer so viel Klarheit von dir.» Seitenhieb von Köppel, mit süffisantem Lächeln unterstrichen. Und übrigens: Die Energiewende des Bundes sei auch hochgradig undemokratisch gewesen.


Nächstes Thema: der Begriff «nationalkonservativ», der, seit Markus Somm als möglicher NZZ-Chefredaktor gehandelt wurde, unglaublich in Mode sei, so Schawinski. Doch es stimme nicht, dass, wer sich nicht als patriotisch bezeichne, die Schweiz abschaffen möchte. «Dabei trifft das gerade auf dich zu», kontert Köppel. Schon wieder grölt das Publikum. Der Angegriffene beschwert sich über die vielen Fans und macht einen Pegida-Vergleich. Die umstrittene Vereinigung der «Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung» sei nicht viel anders als einen Nationalismus von den Schweizern zu fordern, also extremistisch. Das Wort «Patriot» sei zum Kampfruf missbraucht worden. Endlich klatschen die Schawinski-Anhänger, Köppel bleibt steif.


«Du bist einseitig informiert»
Es geht weiter zu Simonetta Sommaruga, die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zwar regelrecht «abgeknutscht» wurde, aber in den Verhandlungen um die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative nicht sonderlich weitergekommen sei. Köppel bemängelt, dass der Bundesrat einen klaren Volksauftrag habe und stattdessen eine teure Reise antrat, um einen «Nicht-Entscheid» zu kommunizieren. Schawinski beschwört eine Wirtschaftskrise herauf, die bilateralen Abkommen mit der EU seien deswegen wesentlich für die Schweiz. Sein Gegner kneift die Augen zu und meint: «Du bist einseitig informiert.» Ein «Böööööh» erhebt sich im Zuschauerraum. Schawinski rudert mit den Armen und sagt: «Dein Wort in Gottes Ohr.» Der bürgerliche Verleger wird ernst. Es stimme, die Schweiz sei hoch verletzlich, aber genau aus diesem Grund müsse man die wirtschaftlichen Risiken global streuen. Ausserdem kusche die EU, wenn man mal Nein sage.


Das bringt die beiden zum letzten Thema: Alexis Tsipras, der neue Ministerpräsident Griechenlands, der sich gerade mit der EU zerstreitet. Schawinski schaut schnell auf seine Notizen und holt dann aus. «Tsipras ist gegen die EU, also findest du ihn gut.» Köppel berührt es nicht, dass er mit einem Linksextremen gleichgestellt wird, sondern schüttelt nur den Kopf. «Ich sollte eigentlich immer einen Psychoanalytiker zur Sendung mitnehmen, der mich nach deinen harten Attacken wieder aufbaut.» Der trockene Witz sitzt, im Raum bebt es. Schawinski hält ihm einen Vortrag über die «märkische Hausfrau Angela Merkel», die fälschlicherweise eine sparende Küchenökonomie gefahren sei, wie sie sein Gegner auch immer unterstütze, wohingegen allgemein bekannt sei, dass ein Land in der Krise die Wirtschaft ankurbeln sollte.


Nahe an der Bühne stehen zwei ältere Herren. «Es ist ein politisches Cabaret, eigentlich sind sie wie zwei Clowns. Wir lieben es.» Sie hören «Roger gegen Roger» seit Beginn, verpassen keine einzige Sendung. Köppel verliere nie die Fassung und sei ein brillanter Provokateur. Schawinski meistere seine Doppelrolle auch als Moderator sehr gut und wisse sehr viel. Keiner sei besser, sie würden das ganze Spektrum von rechts bis links ab­decken; die Diskussion bestätige so die Meinung von jedem. Die Kontroverse sei für die Schweiz erfrischend, abseits der vernünftigen Politik des Bundeshauses.


Die Sendung ist zu Ende. Schawinski hofft, dass die nächste Sendung wieder stattfinden wird. «An mir liegt es nicht.» Köppel erntet für seine Schlusspointe die grössten Lacher.  Dann fragen Zuschauer nach Fotos. Köppel verschwindet in der VIP-Lounge, Schawinski bleibt unter den Zuschauern, und fertig ist der Streit, den beide so lieben. Bis zum nächsten Mal?

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