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Reportage

Auch bei widrigen Wetterverhältnissen ein Touristenmagnet: Rathausbrücke, im Volksmund «Gemüsebrücke» genannt. Bild: Regula Weber

Marktplatz und Machtzentrum

Von: Urs Hardegger

09. Januar 2018

Jeder Ort in Zürich hat seine Geschichte. Das «Tagblatt» erzählt jede zweite Woche

eine solche Story. Heute: die Rathausbrücke.

Möwen im Tiefflug, im kalten Wasser der Limmat ein Schwan, und eine Marronifrau, die auf Kunden wartet. Etwas entfernt trotzen Touristen den widrigen Witterungsverhältnissen und stellen sich tapfer für einen Schnappschuss vor Grossmünster und Rathaus. Die Rathausbrücke im Winter. Da, wo es an schönen Sommertagen oft fast kein Durchkommen gibt, sieht es an regnerischen Wintertagen trostlos aus. Nichtsdestotrotz ist hier der heimliche Mittelpunkt der Stadt. Nirgendwo verschmelzen Vergangenheit und Gegenwart dieser Stadt stärker als auf der Rathausbrücke. In unmittelbarer Nähe zeigt sich die geballte Macht früherer und heutiger Zeit: Zunfthäuser, die grossen Kirchen, das Rathaus und die Kantonspolizei.

Bereits im Mittelalter war die «Gemüsebrücke» – wie sie noch immer von vielen genannt wird – zentraler Markt- und Versammlungsort. Das angrenzende Rathaus wurde 1698 gebaut und stellt einen gutzürcherischen Kompromiss zwischen Repräsentationsbedürfnis und Sparsamkeit dar. Klar gegliedert und schlicht, mit einigen für zürcherische Verhältnisse geradezu üppig wirkendenden Barockelementen an der Fassade.

Die Rathausbrücke verbindet die ältesten Teile der Stadt. Lange Zeit war sie der einzige Limmatübergang, der mit Kutschen und Pferdegespannen befahrbar war. Wie der Ort aussehen soll, darüber gingen die Meinungen schon früh auseinander. 1880 sollte bei der Erneuerung eine Gemüsehalle auf ihr Platz finden. Allerdings fand das vorgestellte Projekt in der Volksabstimmung keine Gnade. Als «Denkmal der Geschmacklosigkeit» bezeichneten die Gegner den Vorschlag. Nicht besser erging es knapp hundert Jahre später der Zeltkonstruktion, die viele an überdimensionierte Eierkartons erinnerten. Das Dach wurde zwar 1973 gebaut, doch das «Schock-Bauwerk» musste wieder abgebrochen werden. Auch die jetzige Lösung mit den Verkaufsbuden begeistert niemanden wirklich.

Neubau ab 2022

Doch die Tage der jetzigen Rathausbrücke sind gezählt. Sie soll ersetzt werden. Grund: Die ungenügende Durchflussmenge stellt bei Hochwasser eine Gefahr dar. Bis zum Baubeginn im Jahr 2022 fliesst noch viel Wasser die Limmat hinunter. Genügend Zeit also, um über Ästhetik und Funktionalität zu streiten. Denn die Realisierung eines solch zentralen Bauwerks war in Zürich noch nie eine einfache Sache.

Lesen Sie am 24. Januar den Beitrag zu den Oerliker Strassennamen.

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