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Reportage

Wolfgang Tillmans, "Christos", 1992, Farbfotografie, Kunsthaus Zürich

Modeströmungen im Zeichen der Zeit

Von: Ginger Hebel

17. April 2018

Ab Freitag dreht sich im Kunsthaus Zürich in der Ausstellung «Fashion Drive» alles um extreme Mode. 200 Exponate zeugen davon, wie Kunstschaffende die Modewelt über Jahrhunderte geprägt haben.

Die neue Ausstellung im Kunsthaus ist eine Tour d’Horizon durch die Geschichte der Mode. Sie umfasst 400 Gemälde, Skulpturen, Installationen, Grafiken, Aquarelle, Fotografien, Filme sowie historische Kostüme von rund 60 Künstlerinnen und Künstlern. Das Kuratorenteam Cathérine Hug und Christoph Becker hat sich intensiv mit der Modegeschichte auseinandergesetzt, Literatur gewälzt und Ausstellungen in London, Paris und Wien besucht, um Mode in einer Zeitspanne von 500 Jahren im Spiegel der Kunst zu zeigen – von der Renaissance bis in die Gegenwart. «Wir mussten selektiv in der Auswahl sein, das war eine der grössten Herausforderungen», sagt Cathérine Hug.

Entscheidend für die Kuratoren waren einerseits die Bedeutung des jeweiligen Werkes und des Künstlers, aber auch Intuition und persönlicher Geschmack.

Es ist ihnen gelungen, Leihgaben aufzutreiben, die noch nie zuvor in der Schweiz zu sehen waren. Wie ein Faltenrockharnisch um 1526, aus ziseliertem und poliertem Eisen. Er wurde von einem norddeutschen Plattnermeister für Albrecht von Brandenburg, den Hochmeister des Deutschen Ritterordens, gefertigt. Auch spektakuläre Rüstungen wie Beinkleider mit Schamkapseln werden gezeigt. Sie wurden um 1549 getragen, um die männliche Potenz zu betonen. «Allzu oft schauen sich Menschen nur das an, was sie bereits kennen. In dieser Ausstellung wird das anders sein. Wir sind stolz, dass uns Institutionen wie das Château de Versailles, die Tate in London, das kunsthistorische Museum in Wien sowie zahlreiche Privatleihgeber mit ihren Werken unterstützen», sagt Hug.

Den Auftakt machen Gemälde aus dem 16. Jahrhundert. Schlitzmode galt in der Renaissance als der letzte Schrei und bildet einen thematischen Schwerpunkt der Ausstellung. Die Anziehungskraft zerrissener Kleider, wie wir sie heute noch gerne tragen, geht auf die damalige Zeit zurück. Die Ausstellung führt quer durch den Barock, Rokoko, die Französische Revolution und den Wiener Kongress. Eine grosse Bedeutung kommt den 1920er-Jahren zu, einer Zeit voller Aufbrüche. Damals wurden Frauen modetechnisch selbstbewusster und trugen kurze Haare und Röcke. Auch Sport spielte damals eine wichtige Rolle. Der Sportlook wurde durch Modeschöpfer wie Elsa Schiaparelli salonfähig. «Wenn man Leute heute auf Mode anspricht, nennen sie irgendein Fast-Fashion-Label oder berühmte Designer. Aber Mode hat eine lange und bewegte Geschichte. Angefangen bei Schlitzmode und Schamkapseln über den Reifrock und die Schlichtheit der Dandys bis zum Papierkleid», sagt Cathérine Hug.

An ihrem Beruf als Kuratorin schätzt sie, dass sie Ausstellungen realisieren kann, die sinnliche Ansprüche erfüllen, aber auch das kritische Denken schärfen. «Kuratoren können Zusammenhänge herstellen und sichtbar machen, die man sonst nicht oder zu wenig sieht», erklärt sie. Ihr fällt auf, wie viele Menschen heutzutage in ihr Smartphone starren und meinen, darin die reale Welt zu sehen. «In Ausstellungen kann man erkennen, dass Texturen, Materialien, Stimmungen und Atmosphären räumlich sind. All das spielt eine wichtige Rolle, das Internet aber vermittelt dies nicht.»

Mode als Industrie

Verschiedene Künstler, aber auch Jugendbewegungen wie Hippies, Punks und New-Wave-Gruppen haben die Mode beeinflusst. Heute wird sie nicht mehr nur von Modeschöpfern diktiert – Inspirationen und Trends kommen direkt von der Strasse und von Bloggern. Mode ist längst eine Industrie geworden. «Eine problematische Angelegenheit», findet Cathérine Hug, «denn die Fast-Fashion-Industrie nützt menschliche, aber auch ökologische Ressourcen extrem aus.» Die Ausstellung soll daher auch dazu einladen, sich Gedanken zu machen und sich mit der Frage der Bekleidung auseinanderzusetzen. «In der Geschichte der Mode zu stöbern, ist ein Anfang und bewirkt vielleicht einen Sinneswandel», hofft Cathérine Hug.

Die Ausstellung «Fashion Drive. Extreme Mode in der Kunst» im Kunsthaus dauert vom 20. April bis zum 15. Juli und ist eine Koproduktion mit den Zürcher Festspielen, die alle zwei Jahre während dreier Wochen im Juni stattfinden. Weitere Informationen: www.kunsthaus.ch

 

 

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