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Reportage

Einige der Waldrappe des Zoo Zürich dürfen bald zurück in die Wildnis. Bild: Zoo Zürich, Enzo Franchini

Neue Chance für Gessners Fabelwesen

Von: Alex Rübel

15. März 2016

ZOO INTERN Zoodirektor Alex Rübel berichtet alle zwei Wochen über Neues oder ­Wissenswertes aus dem Tiergarten. Heute geht es um den Waldrapp.

Der Mensch hat dem Waldrapp nicht gutgetan. War der Ibisvogel einst von Mitteleuropa über den Nahen und Mittleren Osten bis nach Nordafrika anzutreffen, ist er heute vielerorts ausgestorben oder nur noch in Kleinstbeständen anzutreffen.
In Europa gibt es ihn vermutlich seit Beginn des 17. Jahrhunderts nicht mehr. Dabei hatte der berühmte Zürcher Naturforscher Conrad Gessner (siehe Box unten) den Waldrapp 1557 noch selbst beobachtet und in seiner «Historia animalium» ausführlich beschrieben. Weil der Vogel ausstarb, dachten spätere Gelehrte, Gessner habe ihn mit einer anderen Art verwechselt oder sogar ein Fabelwesen beschrieben. Erst im 19. Jahrhundert klärte sich deren Irrtum.

Gründe für das Verschwinden des Waldrapps sind
die Bejagung und Nestplünderungen durch den Menschen (junge Waldrappe galten als Delikatesse), der Lebensraumverlust durch die Trockenlegung von Feuchtgebieten sowie klimatische Veränderungen. Heute gibt es nur noch einige wenige frei lebende Waldrapp-Kolonien in Marokko, Syrien und in der Türkei.

Menschen fliegen voraus

In Zoos und Tierparks leben inzwischen über tausend Waldrappe. Die Kolonie bei uns im Zoo Zürich wurde vor 45 Jahren mit sechs Tieren aus dem Zoo Basel gegründet. Seither sind über 200 Jungtiere geschlüpft. Auch in den anderen Zoos haben sich die Waldrappe so gut vermehrt, dass es mittlerweile genug Tiere hat, um die gesellig lebenden Vögel wieder auszuwildern. Die Krux dabei ist: Der Waldrapp ist ein Zugvogel, der seine Flugroute von den Eltern lernt. Deshalb reicht es nicht, die im Zoo geborenen Vögel einfach freizulassen. Man muss ihnen auch zeigen, wohin sie fliegen müssen.

Ein entsprechendes Projekt läuft seit einigen Jahren in Österreich. Dabei fliegen die menschlichen «Zieheltern» den Waldrappen mit einem Leichtflugzeug voraus und zeigen ihnen so den Weg in ihr Überwinterungsgebiet. Das Ziel dabei ist es, wilde Populationen mit einer «Zugtradition» aufzubauen. Denn nur so können die Waldrappe den Alpenraum überhaupt wieder als Lebensraum nutzen. Auch wir haben Jungvögel aus unserer Kolonie für dieses Projekt zur Verfügung gestellt und hoffen sehr, dass die Wiederansiedelung gelingt.

Gessner-Ausstellung

Ab morgen Donnerstag zeigt der Zoo Zürich die dezentrale Ausstellung «Conrad Gessner: Erster moderner Mensch und Vater der Zoologie». Sie beleuchtet an 13 verschiedenen Standorten im Zoo Aspekte der zoologischen Forschung des berühmten Zürcher Mediziners, Naturforschers und Universalgelehrten Conrad Gessner, dessen 500. Geburtstag heuer gefeiert wird. Die Ausstellung ist Teil einer ganzen Reihe von Veranstaltungen, die zu Ehren Gessners in Zürich abgehalten werden.

Weitere Infos unter: www.zoo.ch und www.gessner500.ch

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