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Reportage

Schliessen im Dezember die Hotelfachschule ab: Simone Graf (l.) und Muriel Hugentobler.

"Perfektion ist tödlich"

Von: Ginger Hebel

28. Oktober 2014

Belvoirpark Hotelfachschule Zürich: Seit kurzem wird im ultramodernen Neubau unterrichtet. 288 Studierende werden hier fit gemacht für den beruflichen Aufstieg in der Hotellerie. Das «Tagblatt» nahm einen Augenschein vor Ort.

Zürich hat eine neue alte Hotelfach­schule. Während 21 Monaten wurde der 5-stöckige Neubau an der Seestrasse 141 nach den Plänen von Architekt Peter Märkli erstellt. Eine Schule, die wie ein Hotel konzipiert ist, mit Schweizer Ulmenholzmöbeln, samtroten Teppichen und Schulungs­räumen mit schallisolierten Wandver­kleidungen, die gleichzeitig als Pinnwand dienen sowie Réceptions-Desks, wo ­Videoaufnahmen direkt in den Seminarraum überspielt werden können. Zudem bietet die Schule eine Demonstrations­küche, eine Übungsbar und eine Luxussuite.

Im schuleigenen Restaurant sitzen die Studenten beim Mittagessen: Frauen mit hochgesteckten Haaren und Männer mit Krawatten, alle motiviert, sie lernen hier, wie ein Hotel funktioniert. Paul Nussbaumer leitet die Kaderschmiede seit 21 Jahren und unterrichtet auch. «Es soll möglichst realitätsnah sein, wir wollen hier keinen sterilen Schulgroove haben.» 288 Studierende, durchschnittlich sind sie 24-jährig, werden an der Belvoirpark Hotelfachschule Zürich ausgebildet. Marco Rüedi gehört mit seinen 37 Jahren zu den älteren Semester. Nach 17 Jahren als Angestellter bei der Post nahm er unbezahlten Urlaub und arbeitete im Service. «Die Gastronomie hat mich total reingezogen.» Er wollte das Hotelfach von der Pike auf lernen und entschloss sich zur dreijährigen Ausbildung mit Praktikum. Im Dezember hat er Abschlussprüfungen, seine berufliche Zukunft sieht er in der Gästebetreuung. Der Gast ist König, oder wie es Belvoirpark-Direktor Paul Nussbaumer ausdrückt: Der Gast sagt, was er will, der Gastgeber sagt, was es kostet. Marco Rüedi mag den Umgang mit verschiedenen Menschen und Charakteren. «Natürlich ist man auf eine gewisse Weise der ‹Diener›, wenn man im Hotelgewerbe arbeitet, das muss einem liegen.» Ihm liegt es.

Auch Muriel Hugentobler und Simone Graf werden die Schule im Dezember abschliessen. Simone Graf ist froh, wenn sie nicht mehr in der Küche stehen und mit dem Messer hantieren muss, doch das ist das Konzept der Belvoirpark Hotelfachschule Zürich: Während der Ausbildung müssen alle alles machen. Simone Graf würde künftig gern im Personalwesen arbeiten und Mitarbeiter einstellen. Muriel Hugentobler ist gelernte Restaurationsfachfrau. Sie hat schon immer gern gute Restaurants besucht, der Glamour-Faktor hat sie in die Gastronomie gelockt. «Ich habe die Servicefachangestellten in den schönen Restaurants immer ­bewundert.» Im Restaurant Belvoirpark wird sie als Chef de Service anheuern. «Das ist ein toller Karrieresprung nach der Schule», freut sich die 24-Jährige. Sie hat die Ausbildung sehr genossen. «Man lernt unglaublich viel in verschiedenen Bereichen, ich gehe als anderer Mensch hier raus.»

Paul Nussbaumer legt Wert auf Qualität und Professionalität, aber er will aus den Studenten keine Maschinen machen. «Perfektion ist tödlich, was nicht heisst, dass man jeden Tag Fehler machen soll. Eingetrichterte Standardfloskeln sind schlimm, entscheidend ist die persönliche Ebene, wie man beispielsweise Gäste begrüsst und verabschiedet.»

 

An der Réception steht Tobias Edtbauer. Der 30-Jährige kochte bisher in gehobenen Restaurants, er träumt von einer Zukunft als Food-&-Beverage-Manager, der sich ums Essen und Trinken kümmert. «Wenn man beruflich weiterkommen will, kommt man um die Hotelfachschule kaum herum. Man hat danach bessere Perspektiven», ist er überzeugt. Die meisten Hotelfachschul-Absolventen wollen heute im Eventbereich arbeiten; Partys und Hochzeiten organisieren, spektakuläre Feste für anspruchsvolle Gäste. «Das tönt lässig, aber die viele Arbeit, die dahintersteckt, sehen viele nicht. Es ist nicht die heile Welt wie auf dem ‹Traumschiff›», sagt Paul Nussbaumer. «Eventmanagement ist ein hartes Geschäft, das sich schnell verändert, die Ansprüche werden immer höher, auch die der Mitarbeiter.» Die Jungen mit Hotelfach-Diplom in der Tasche sind arbeitswütig, doch mit zunehmendem Alter wird die Freizeit wichtiger, dann muss die Work-Life-Balance stimmen.

Die Studenten der Hotelfachschule haben dieses gewisse Funkeln in den Augen, wenn sie über den roten Teppich schreiten, und alle haben sie dasselbe Ziel: Sie wollen in der Hotellerie oder Gastronomie arbeiten, Gäste glücklich machen, die Welt kennen lernen. Doch was zeichnet einen guten Gastgeber eigentlich aus? «Man muss Freude haben, anderen eine Freude zu machen. Wer ein guter Hotelier werden will, braucht ein starkes Fundament, eine gute Ausbildung, und es braucht den Willen dazu», sagt Nussbaumer. Man sollte sich hineinversetzen können in den Gast, freundlich sein und zuvorkommend, aber nie devot.

Mitarbeiter führen, kochen, putzen, das alles kann man lernen. Auch, wie man mit Gästen umgehen soll? «Man kann die Studenten sensibilisieren, die Frage ist immer, ob jemand das Flair dazu hat.» Paul Nussbaumer ärgert sich jedes Mal, wenn er als Hotelgast beim Frühstück sitzt und gefragt wird, was er für eine Zimmernummer hat. «Ich bin ja nicht die Nummer 217, ich habe einen Namen.»

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