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Reportage

Im Zirkusfieber: Von links: Jungartist Yann Forster; Schauspieler und Artist Max Gnant; Köchin Anna Lips; Bühnenbild und Technik Nik Huber; Produktionsleiter Zirkus Chnopf Dave Sieger; «Tagblatt»-Redaktorin Ginger Hebel; Gesamtleitung Konrad Utzinger und Handstandprofi Joana Spuhler.

Proben für das grosse Zürcher Freilichtspektakel

Von: Ginger Hebel

14. Mai 2019

Die Produktions- und Spielstätte Zirkusquartier in Altstetten ist das Zuhause des Zirkus Chnopf. «Tagblatt»-Redaktorin Ginger Hebel ist für die Serie am Puls mittendrin im Freilichtspektakel.

Regen prasselt auf die Dächer der bunten Wohnwagen auf dem Gelände des Zirkusquartiers in Altstetten. Es ist das fahrende Zuhause des Zirkus Chnopf. Der Stimmung kann das unbeständige Maiwetter nichts anhaben. Die Artistinnen und Artisten sind voller Vorfreude auf die 29. Tournee. Am 30. Mai gehts los. Dann tourt das Freilichtspektakel drei Monate lang durch die Schweiz; von Bern bis Aarau, von St. Ursanne bis Zürich.

Ohne Nik Huber läuft nichts. Der Mechaniker wartet 19 Wohnwagen sowie sämtliche Maschinen, schraubt und sägt in seiner Werkstatt. Auch fürs Bühnenbild und alle Effekte ist er verantwortlich. Zirkus Chnopf – das ist Theater, Tanz, Artistik und Musik. Die Auftritte finden nicht etwa in einem Zelt statt, sondern auf der Bühne unter freiem Himmel. Jugendliche sowie erfahrene Artisten arbeiten in den Produktionen zusammen. Die Anfänger lernen von den Profis. «Wir haben uns der Nachwuchsförderung verschrieben», sagt Produktionsleiter Dave Sieger. Nachwuchsartist Yann Forster ist dankbar für jede neue Erfahrung, die er hier sammeln darf. Der 21-Jährige wollte Zivildienst im Zirkus leisten, hat aber das Casting bestanden, das immer im Oktober stattfindet, und ist jetzt als Artist dabei. «Der Zirkus Chnopf lebt von seiner Gruppendynamik. Man probt und wohnt zusammen, und lernt dadurch viel fürs Leben, das gefällt mir.»

Auch die Zürcher Gymnasiastin Joana Spuhler gehört zum Ensemble. Die 16-Jährige hat als kleines Mädchen im Kinderzirkus Robinson mitgemacht und ist ein wahrer Handstandprofi. Sie ist ein Einzelkind und lebt bei ihrer Mutter. Doch jetzt heisst es für sie: tschüss Kinderzimmer, hallo Wohnwagen. «Das ist eine ganz andere Welt. Ich bin sehr gespannt, was mich erwartet.»

Max Gnant probt unermüdlich. Der 28-jährige Schauspieler und Artist studierte an der renommierten Dimitri-Schule und war zuletzt in Bayern am Theater engagiert. Jetzt startet für ihn die erste Tournee mit dem Zirkus Chnopf. «Diese Art des Arbeitens und Zusammenlebens sagt mir sehr zu. Ich kann hier meine eigenen Ideen einbringen, das ist reizvoll.» Er investiert all seine Energie in den Zirkus, das Privatleben bleibt dabei auf der Strecke. «Ich habe eine Freundin in Deutschland, aber wir sehen uns selten. Eine Beziehung zu führen, ist in dieser Branche sehr schwierig.» Er lebt im Wohnwagen, seine Wohnung hat er aufgegeben. «Je länger, je mehr tut es mir gut, Dinge loszuwerden und loszulassen.»

Durch das Zirkusquartier zieht der Duft nach warmem Gemüsestrudel. Anna Lips steht am Herd wie so oft. Ihr Reich ist die Küche, untergebracht im Wohnwagen. Es ist zwar alles etwas beengt, aber das stört sie nicht. «Ich mache diesen Job von Herzen gern. Aber wenn ich koche, brauche ich meine Ruhe.» Mit ihren 39 Jahren gehört sie zu den Ältesten beim Zirkus Chnopf und ist so etwas wie das Artisten-Mami. Sie sorgt dafür, dass sich die Jungmannschaft ausgewogen ernährt und bei Kräften bleibt. «Viele Jugendliche haben noch nie einen Haushalt geführt und sind hier erstmals mit Ämtli konfrontiert», sagt Anna Lips. WC putzen, abwaschen, abtrocknen – jeder hilft mit. Am langen Holztisch im Wohnwagen treffen sich dreimal am Tag alle 20 Ensemblemitglieder. Sie teilen lustige und traurige Momente, Erfolgserlebnisse und Alltagssorgen. «Anna kocht super fein, das ist Oberluxus», sind sich die Artisten einig. Sie können in Ruhe proben und trainieren und sich, wenn sie hungrig sind, einfach an den Tisch setzen.

Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl schätzt auch Dave Sieger. Der 35-Jährige ist Produktions- sowie künstlerischer Leiter und für das neue Programm «Optimum» mitverantwortlich. «In der heutigen Welt will jeder schneller, besser und schöner sein und das Optimum herausholen. Doch optimal heisst für jeden etwas anderes.» Ein Toaster ist das zentrale Objekt des neuen Programms. «Es gibt wohl nichts Schwierigeres, als einen perfekten Toast hinzukriegen. Hell und weich oder dunkel und knusprig? Was ist optimal?» Er ist überzeugt: Eine gute Produktion muss eine Botschaft vermitteln und alle Generationen ansprechen.

Seit der Gründung des Zirkus Chnopf im Jahr 1990 setzt man auf die Hutsammlung statt auf den Ticketverkauf. Jeder Gast bezahlt so viel, wie er kann und will. «Damit fahren wir gut, auch wenn die Leute in Zürich erstaunlicherweise bedeutend weniger geben als an anderen Orten in der Schweiz», sagt Dave Sieger. 15 Franken pro Kind, 25 Franken pro Erwachsener wäre wünschenswert, der Durchschnitt liegt bei 13 Franken. Manchmal sei auch ein Hunderternötli im Hut oder Lebensmittel statt Geld; Honig, Käse, Zucchetti und ganz viele Schöggeli. Gesamtleiter Konrad Utzinger bringts auf den Punkt: «Reich werden wir hier nicht, aber wenn das Wetter mitspielt, dann läufts. Denn spielen können wir auf der Freilichtbühne nur, wenn es nicht regnet.»

Weitere Informationen: Der Zirkus Chnopf geht auf Schweizer Tournee und gastiert an folgenden Daten in Zürich:

12. bis 16. Juni: Rote Fabrik
4. bis 8. September: Josefwiese
11. bis 14. September: Zirkusquartier, Flurstrasse 85 Zürich-Altstetten.

www.chnopf.ch
www.zirkusquartier.ch

Zu gewinnen: Das «Tagblatt» verlost für die Vorstellung am Freitag, 14. Juni um 19.30 Uhr, in der Roten Fabrik, 2 x 2 Packages mit je einem Zirkus-Chnopf-T-Shirt, Popcorn und Getränk. Schreiben Sie uns eine E-Mail mit Name, Adresse und Betreff Chnopf an gewinn@tagblattzuerich.ch

 

 

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