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Reportage

Frisst in der Natur auch Giftschlangen: Sinaloa-Königsnatter im Zoo Zürich. Bild: Zoo Zürich / Enzo Franchini

Schafe im Wolfspelz

Von: Alex Rübel

05. Mai 2015

ZOO INTERN Zoodirektor Alex Rübel berichtet alle zwei Wochen über ­Neues oder Wissenswertes aus dem Tiergarten. Heute geht es um Königsnattern.

Der Wolf im Schafspelz gibt vor, harmloser zu sein, als er ist – Schlangen der Gattung Königsnatter machen genau das Gegenteil: Sie sind ungiftig, geben mit ihrem Aus­sehen und/oder Verhalten aber vor, Giftschlangen zu sein. Dieses Imitieren einer gefährlichen oder ungeniessbaren anderen Tierart zum eigenen Schutz nennt man Mimikry.

Kleines Detail, grosser Unterschied

Die Sinaloa-Königsnatter, die im Zoo Zürich beobachtet werden kann, betreibt die Mimikry über ihr Aussehen. Mit ihren Farben und Kontrastzeichnungen sieht sie den hochgiftigen Korallenschlangen sehr ähnlich. Die Sinaloa-Königsnatter ist rot, unterbrochen von weit auseinanderliegenden schwarz-weiss-schwarzen Bändern. Der optische Unterschied zu den giftigen Korallenschlangen liegt im Detail – etwa, dass die Farbabfolge der Bänder anders ist oder dass eine Farbe fehlt. Achtet man nicht auf diese feinen Differenzen, verwechselt man die zwei Reptilien leicht. Im englischen Sprachraum hilft man sich deshalb mit einfachen Merksprüchen, etwa «red and yellow kills a fellow, red and black is safe for jack» (Rot und Gelb tötet, Rot und Schwarz ist sicher) oder «if white follows red, you’re dead» (folgt Weiss auf Rot, bist du tot).

Ungiftig frisst giftig

Die ungiftige Königsnatter imitiert die giftige Korallenschlange, um sich vor Feinden zu schützen. Die Korallenschlange selber gehört interessanterweise ... und die hochgiftige Korallenschlange. Bild: Beat Akeretaber nicht zu diesen Feinden, denn ihr Gift kann der Königsnatter nichts anhaben. Im Gegenteil: Die Königsnatter, auf deren Speiseplan unter anderem auch Schlangen stehen, kann Korallen- oder anderen Giftschlangen durchaus gefährlich werden, sie sogar töten und verspeisen. Hierzu umschlingt sie ihre Beute und schneidet ihr die Luft ab. Ein Biss der Korallenschlange – für den Menschen hochgefährlich – ist hier als Abwehr nutzlos.

Neben Schlangen frisst die Königsnatter auch andere Reptilien wie etwa Eidechsen, Nager wie Mäuse oder Ratten sowie Vögel. Vor Letzteren muss sie sich aber auch in Acht nehmen, denn Greifvögel gehören zu den wichtigsten Feinden der Königsnatter.

Auch der Mensch betreibt Mimikry, indem er Tiere und Pflanzen imitiert. Sie sind Vorbild für viele Errungenschaften, beispielsweise im Bereich der Technik oder Pharmazeutik. Bekannte Beispiele sind etwa der Klettverschluss, die Schwimmflosse, Saugnäpfe sowie Sonar und Echolot. Die zugehörige Wissenschaft nennt man Bionik, Biomimetik oder Biomimikry.

Königsnatter im Zoo Zürich

Die Sinaloa-Königsnatter, auch Sinaloa-Dreiecksnatter oder Sinaloa-Milchschlange genannt, kann im Zoo Zürich im Exotarium beobachtet werden. Im selben Gebäude gibt es jeweils am Mittwoch- und Sonntagnachmittag einen Reptilien-Infotisch. Neben vielen Informationen erhalten die Besucher dort auch die Gelegenheit, selber einmal eine lebende Schlange anzufassen.
Mehr unter: www.zoo.ch

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