mobile Navigation

Reportage

Auf nasser Piste bremsen und dabei den gelben Kegeln auszuweichen, erweist sich für manche Kursteilnehmerin und manchen Kursteilnehmer als schwieriges Unterfangen. Bild: Sacha Beuth

Schlitterpartien für mehr Sicherheit im Verkehr

Von: Sacha Beuth

16. Mai 2023

Mit «Prüfung gestern – Fahren heute» wollen Stadtpolizei Zürich, ACS Sektion Zürich und Zürcher Fahrlehrer-Verband insbesondere Personen, bei denen die Fahrprüfung schon etwas länger zurückliegt, im Strassenverkehr auf den neusten Stand bringen. Und dies nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Was bei nicht wenigen Teilnehmern für verblüffende Erkenntnisse sorgt. Ein Erlebnisbericht aus dem DriveZ in Dübendorf.

Noch einmal tief Luft holen. Dann drücke ich aufs Gaspedal und fahre los. Da mein Skoda Octavia Kombi nun mal keine Rennmaschine ist, dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis ich auf dem kurzen Pistenstück im DriveZ in Dübendorf die geforderten 35 km/h erreicht habe. Zugleich kommt aber Instruktor Rudi Balzarini immer näher und somit der Punkt, an dem ich bremsen soll. Freihändig! Endlich höre ich sein «Stopp» aus dem Walkie-Talkie und zugleich das entsprechende Handzeichen. Ich steige voll in die Eisen und lasse wie von Balzarini nahegelegt das Steuerrad los. Ein Zug nach vorne, ruckelnde Bremsbewegungen, dann steht das Fahrzeug. Und zwar immer noch in der zuvor eingeschlagenen Fahrtrichtung. «Wie versprochen, dem ABS sei Dank», ruft Balzarini. Und dann «Gut gemacht», derweil ich mich wieder in den Korso der anderen Teilnehmer von «Prüfung gestern – Fahren heute» einreihe. So nennt sich der Sicherheitsfahrkurs von Stadtpolizei Zürich, dem ACS Sektion Zürich und dem Zürcher Fahrlehrer-Verband, der dieses Jahr noch drei Mal im Fahrtrainingscenter DriveZ in Dübendorf durchgeführt wird. Ziel des Kurses ist es, Personen, deren Fahrprüfung schon ein Weilchen zurückliegt, in Sachen Fahrtechniken und Verkehrsvorschriften wieder auf den neusten Stand zu bringen.

Rettungsgasse und Reissverschluss

An diesem Donnerstagvormittag sind es 16 Personen, die meisten davon im Pensionsalter, die das Angebot nutzen. Den Anfang macht die Theorielektion von Miguel Lopez. Der Mitarbeiter von der Prävention der Stadtpolizei Zürich präsentiert die wichtigsten Änderungen im Strassenverkehr in den letzten Jahren. Dazu zählt etwa, dass das Bilden einer Rettungsgasse auf Autobahnen nun Pflicht ist und bei Zuwiderhandlung mit 100 Franken Busse geahndet werden kann. Wie die Gasse zu bilden ist, sei übrigens ganz einfach. «Nehmen Sie die ausgestreckte, rechte Hand als Mass, wobei der Daumen die Spur ganz links symbolisiert. Egal, wie viele Spuren eine Autobahn hat, die Rettungsgasse sollte immer zwischen Daumen und Zeigefinger gebildet werden», erklärt Lopez und fügt sofort ergänzend hinzu: «Aber Achtung. Der Pannenstreifen ist davon ausgenommen und darf nicht belegt werden.» Ebenfalls ein Muss ist bei Fahrstreifenreduktion und bei Autobahneinfahrten, den Verkehr über ein Reissverschlusssystem möglichst fliessend zu halten. «Nutzen Sie dabei immer beide Spuren, also fahren Sie bis ganz nach vorne zur Verengung, ehe sie einscheren – auch wenn das der schweizerischen Mentalität des Nicht-Vordrängelns widerspricht», sagt Lopez mit einem Schmunzeln. Nachdem weitere Themen wie das Rechtsabbiegen für Radfahrer bei entsprechender Signalisation und das Rechts-Vorbeifahren behandelt worden sind, werden die Kursteilnehmer in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine davon fährt zur Übungspiste des Trainingscenters, die andere begibt sich mit jeweils einer Fahrlehrerin oder einem Fahrlehrer an Bord für eine Fahrstunde in den Strassenverkehr zwischen Dübendorf und Uster.

Ich gehöre zur ersten Gruppe, die von den Instruktoren Rudi Balzarini und Mario Koch geleitet wird. Als Erstes auf dem Programm stehen Bremsmanöver bei tiefer und mittlerer Geschwindigkeit auf trockener Unterlage. Die ersten beiden Durchgänge verlaufen unspektakulär, wobei sich schon hier offenbart, dass abgenutzte oder alte Pneus einen längeren Bremsweg haben als die Fahrzeuge, die mit neu(er)en Pneus bereift sind. Danach folgt die eingangs beschriebene «Freihand»-Übung, ehe Balzarini die Sprinkleranlage anstellt und einen Teil der Piste bewässert, um so eine schneebedeckte Strasse zu simulieren. «Jetzt schauen wir mal, wie sich eine Vollbremsung unter diesen Bedingungen anfühlt.»

Wieder darf ich als Erster auf die Piste. Mit 25 bis 30 km/h geht es auf den nassen Asphalt zu. Balzarini gibt das Stoppzeichen und ich trete sofort voll auf die Bremsen. Der Wagen steht zwar nach einer kurzen Rutschpartie (Es hat also schon was Gutes, dass ich die Winterpneus noch drauf habe). Dennoch hat sich der Bremsweg deutlich gegenüber der gleichen Geschwindigkeit auf trockener Strecke verlängert.

Langer Bremsweg

Nun soll die Geschwindigkeit auf etwa 50 km/h erhöht werden. Ich habe rund 55 km/h drauf, als Bal­zarini sein «Stopp» in das Walkie-Talkie ruft. Zwar ist meine Reaktionszeit erneut prima. Doch obwohl ich mit aller Kraft das Bremspedal runterdrücke – und dabei zur Erheiterung der umstehenden Teilnehmer und der Instruktoren ein angestrengt-verkrampftes Gesicht zeige – schlittere ich nur so über die Bahn. Der Skoda will einfach nicht halten. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit und deutlich hinter der angedachten Haltezone steht der Wagen endlich still. Das Erlebnis lässt mich in mich gehen und ich nehme mir vor, bei nassem Wetter künftig noch defensiver zu fahren. Und stehe damit nicht allein. «Meine Sommerpneus sind nur zwei Wochen alt und trotzdem hat es extrem lange gedauert, bis sie griffen. Zum Glück waren wir im geschützten Rahmen unterwegs», sagt Kursteilnehmerin Nadine Zürcher (63). Auch Kathrin Iseli (54) meint nach ihrer Übung ernüchtert: «Wenn es regnet, werde ich fortan mehr Abstand halten.» Selbst erfahrenen Autopiloten wie dem Feuerwehrfahrer Oli Beguin (61) flösst das Manöver Respekt ein. «Im Unterbewusstsein habe ich schon gedacht, dass es knapp werden könnte.»

Nach einer kurzen Znünipause tauschen die beiden Gruppen die Plätze und meine Fahrstunde beginnt. Zu mir ins Auto steigt Fahrlehrer Roger Bär, der mich wie in der Fahrprüfung über Landstrassen, durch Quartiere und auf die Autobahn schickt. Und tatsächlich fühle ich mich ein wenig wieder wie ein 18-jähriger Anfänger. Aus der Ruhe bringen lasse ich mich trotzdem nicht. Routiniert und meinem aktuellen Alter angemessen defensiv folge ich Bärs Anweisungen. Nur einmal im Quartier fahre ich zwar innerhalb der Geschwindigkeitslimite, aber nicht der Situation angepasst. «Denken Sie an den Rechtsvortritt», mahnt mich darauf Bär. Abgesehen von einem Manöver, das man auch als Rollstopp hätte auslegen können, unterlaufen mir aber keine Fehler mehr. «Sie fahren grundsätzlich defensiv und vergessen auch den Schulterblick nicht», lobt mich Bär hinterher. «Wäre das eine Prüfung gewesen, hätten Sie jedenfalls bestanden.»

Inzwischen ist es 11.30 Uhr und nun haben noch einmal alle Kursteilnehmer die Gelegenheit, Verkehrsfragen zu stellen. Diese reichen vom Blinken im Kreisel («In der Schweiz nur vor dem Verlassen des Kreisels zwingend») bis zum Vortrittsrecht von ÖV-Bussen («Ist innerorts der Fall, wenn diese von einer Haltestelle wegfahren wollen und dies durch Blinken anzeigen, nicht jedoch beim gleichen Manöver ausserorts»). Dann ist der Kurs zu Ende und jeder Teilnehmer erhält ein Diplom ausgehändigt.

Überall sind zufriedene Gesichter zu sehen. Man hat sprichwörtlich nicht nur mehr zum Thema Verkehr erfahren, sondern es ist einem auch die Gefahr, die aus gewissen Situationen hervorgeht, wieder bewusst geworden. Führt dies wie beabsichtigt zu einem defensiveren Fahrverhalten, steigt die Verkehrssicherheit und allen ist gedient.

Weitere Infos und Kursdaten über Telefon 044 387 75 00, info@acszh.ch und www.acszh.ch

zurück zu Reportage

Artikel bewerten

Gefällt mir 1 ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare