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Reportage

Physiologie für die Kids: Primarschüler erfahren, wie Schweiss den Körper kühlt. Bilder: CLA

Schweissausbrüche an der Universität

Von: Clarissa Rohrbach

15. November 2016

Wieso schwitzen wir? Primarschüler saugen an der Kinder-Universität zum 150. Mal kindgerechtes Wissen auf.

Universität Irchel. Durchschnittsalter der Studenten: 11 Jahre. Die Kinder stehen vor dem Hörsaal 04 G30, unter dem Arm einen Schreibblock, um den Hals ihre Legi. In den nächsten 45 Minuten erfahren sie, warum Menschen schwitzen. Die Eltern bleiben draussen: Hier wird studiert wie bei den Grossen. Um punkt 15 Uhr öffnen sich die Türen. Die Kleinen schreien auf und rennen zu den Holzbänken. «Pssst! Seid still, es geht los!»

Professor Vartan Kurtcuoglu begrüsst die 480 Schüler. Neben ihm liegt ein Kollege in einem heissen Bad, ein anderer rennt auf dem Laufband. Ziel des Experiments: während 30 Minuten messen, wie sich ihre Temperatur verändert. Dann beginnt der Prof mit der ­Vorlesung. Auf dem Bildschirm erscheinen die Bilder eines Babys und eines Leguans. Die Kinder kichern, Kurtcuoglu erklärt den Unterschied. Menschen seien homöotherm, ihre Temperatur sei von der Umgebung unabhängig. «Doch was passiert, wenn ihr draussen in der Sonne spielt?» Der Körper müsse die Wärme abgeben, die er aufnimmt, damit die Kerntemperatur konstant bleibe, erklärt der Prof. Zwischendrin meldet sich der Kollege auf dem Laufband, er schwitze wie ein Schwein. Auch der andere beklagt sich: Das Bad sei so heiss, dass es überall kribbele. Die Temperatur der beiden ist immer noch bei 37 Grad. Die Assistenten behalten sie im Auge.

«Also, wie werden wir Wärme los?» Kurtcuoglu fährt fort. Einige Kinder schreiben mit, andere schauen ihn wie hypnotisiert an. Eine Grafik erklärt das Prinzip der Verdunstung: Aus Eis wird Wasser, aus Wasser Dampf. Um zu verdeutlichen, wie Schweiss verdunstet, zeigt Kurtcuoglu das Bild eines Fussballers, dessen Kopf förmlich raucht. «Boah!», schreien die kleinen Studenten. Doch es wird noch beeindruckender. Die Kinder testen selber, wie Verdunstung die Haut kühlt. «Legt eure rechte Hand auf den Tisch, leckt eure linke Hand ab und bläst dann fest darauf. Welche Hand ist jetzt kälter?» Natürlich die linke. Kurtcuoglu holt die Wärmebildkamera und filmt seine Hand: Ein Smiley, das er mit seinem Speichel gezeichnet hat, leuchtet in Blau. Die Kinder lachen. «Und wie sieht es hier im Saal aus?» Der Prof richtet die Kamera auf die Bänke, lauter rote Männchen winken ihm zu. «Aha, alles okay mit euch, ihr produziert noch Wärme.»

Zaubern wie Harry Potter
In der hintersten Reihe sitzt Sibylle Leuthold. Die Ärztin und Mutter leitet die Kinder-Universität Zürich im Team. Gegründet wurde sie 2004, heute findet die 150. Vorlesung statt. «Hier bekommen die Kinder aus Sicht der Wissenschaft kindgerechte Antworten auf ihre Fragen», sagt Leuthold. Die Schüler würden die Universität in positivem Licht kennen lernen, sich trauen, einem Professor Fragen zu stellen, und so die Scheu vor dem akademischen Umfeld verlieren. Pro Semester werden vier Vorlesungen und acht Workshops für Dritt- bis Sechstklässler angeboten. Die Kinder-Universität wird von privaten Zuwendern finanziert und ist kostenlos. Laut Leuthold ist das Interesse gross. Einige Kinder kämen sogar aus Deutschland. Am beliebtesten seien die Chemie-Workshops, da fühlten sich die Kinder wie Harry Potter.

«Wääh, Intimbereich!»
Kurtcuoglu kommt zum Punkt. Schweiss kühlt also die Haut. Das Blut an der Körperoberfläche wird auch kühler, fliesst zurück in die Organe und senkt so die Kerntemperatur. «Doch woher kommt der Schweiss?» Der Prof beantwortet die letzte Frage. Er spricht von den Schweissdrüsen, im Speziellen von den apokrinen, die Duftstoffe absondern und sich unter den Achseln und im Intimbereich befinden. «Wääh!!» Die Zeichnung eines nackten Mannes erfüllt den Hörsaal mit Ekel.
45 Minuten sind vorbei, das Experiment auch. Resultat: Der Mann im heissen Bad ist 39 Grad warm, der andere immer noch 37. Wieso? «Weil er geschwitzt hat!» Die Kinder haben alles kapiert. Applaus.

www.kinderuniversitaet.uzh.ch

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