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Reportage

Haben alles unter Kontrolle: Bruno Ries (Instandhaltungsfachmann), Peter Schmutz (Leiter Steuerzentrale Wasserversorgung Zürich), Gast Sacha Beuth (Redaktor) und Markus Schmid (Betriebsdisponent). Bild: Nicolas Y. Aebi / llustration: Beni Merk

Sie halten Zürich im Fluss

Von: Sacha Beuth

17. März 2020

WASSERVERSORGUNG 150 Mio. Liter Wasser werden pro Tag im Durchschnitt in Zürich verbraucht. In einem Bunker im Hardhof 9 sorgen die Mitarbeiter der Steuerzentrale dafür, dass das lebenswichtige Nass am richtigen Ort und in der richtigen Menge ankommt. Redaktor Sacha Beuth liess sich für die Serie Am Puls einschleusen.

4.45 Uhr morgens. Beginn der Frühschicht. Mit einem Spezialschlüssel öffnet Markus Schmid im Hardhof 9 das Tor zum oberirdischen Bunker und läuft über ein paar Treppen hoch zur Steuerzentrale der Wasserversorgung Zürich. Ein kurzes Briefing mit dem Kollegen von der Nachtschicht, ein Blick auf den Kalender, dann setzt er sein Headset auf und von nun an ist die Wasserversorgung der Stadt Zürich ganz in seiner Hand. Vor Schmid flimmern rund ein Dutzend Monitore, die nicht nur zur Überwachung des Leitsystems und der Becken dienen, sondern auch der Zugänge und Innenbereiche der Reservoirs und Pumpwerke. Ebenfalls wird angezeigt, wenn ein Zugang nicht ordnungsgemäss geschlossen ist. «Das geschieht aus Sicherheitsgründen», erklärt der 52-Jährige. «Darum müssen wir auch immer wissen, wer wann und zu welchem Zweck ein Werk betritt und wann er es wieder verlässt. Das heisst, die Person – Elektriker, Mechaniker, Schreiner, Schlosser oder sonst ein Mitarbeiter – meldet sich bei uns jeweils an und ab und wartet vor Ort, bis wir den geschlossenen Zugang quittieren. Ansonsten müssen wir die Stadtpolizei aufbieten, damit die nach dem Rechten sieht. Und die hat natürlich nicht gerade Freude auszurücken, nur weil sich jemand nicht an die Vorschriften gehalten hat.»

Peter Schmutz, der Leiter der Steuerzentrale, tritt hinzu und ergänzt: «Sicherheit hat bei uns höchste Priorität. Denn ohne ausreichendes und sauberes Wasser geht gar nichts.» Aus diesem Grund sei die Steuerzentrale auch in einen Bunker verlegt worden. «Und aus diesem Grund dürfen Mitarbeiter während ihrer Schicht das gesicherte Stockwerk im Bunker auch nicht verlassen, weshalb nebst sanitären Anlagen auch eine Küche in diesem Bereich eingerichtet wurde.» Die Überwachung erfolgt rund um die Uhr mit insgesamt sieben Personen in einem Dreischichtbetrieb.

Schmutz deutet auf die Wand hinter den Monitoren, an der ein riesiger Bildschirm prangt, der Pumpwerke und Reservoirs mitsamt den Leitungen und Angaben zu Füllständen und Zu- und Abfuhren zeigt. «Das hier ist ein digitales Abbild unseres Systems, das aus zwei Seewasserpumpwerken, einem Grundwasserwerk, 120 Quellen, 21 Reservoirs und etwa 1550 km Leitungsnetz besteht. Es sorgt dafür, dass die 150 Millionen Liter Wasser, die durchschnittlich pro Tag in Zürich verbraucht werden, zur richtigen Zeit am richtigen Ort und in der richtigen Menge genutzt werden können.» Mit den Zahlen kennt sich Schmutz bestens aus, gehört es doch zu seinem Job, die Wasserbuchhaltung zu führen. So merkt er an, dass die Mengen je nach Situation stark schwanken können. «Meist ist der Verbrauch am 1. Januar mit 110 Millionen Litern am niedrigsten, weil sich dann viele Stadtbewohner ausserhalb Zürichs befinden und die meisten Arbeitsplätze nicht besetzt sind. Handkehrum wird kurz vor den Sommerferien in der Regel mit gut 220 Millionen Litern der höchste Tagesverbrauch verzeichnet, weil dann viele noch ihren Garten bewässern, bevor sie in die Ferien gehen, die Badis meist gut besetzt sind und die Leute bei heissem Wetter mehr trinken und duschen.»

Das Wasser für Zürich sowie 67 Vertragsgemeinden enthält etwa 70 Prozent See-, 15 Prozent Grund- und 15 Prozent Quellwasser. Das Seewasser wird von den Pumpstationen Tiefenbrunnen und Wollishofen aus 32 Metern Tiefe abgesogen und den Seewasserwerken Lengg in Riesbach respektive Moos in Wollishofen zugeführt, wo es zu Trinkwasser aufbereitet wird. Das Quellwasser stammt aus dem Sihl- und Lorzetal, wird von Sihlbrugg bis nach Zürich geleitet. Ein Drittel wird dem Seewassser im Seewasserwerk Moos beigemischt, zwei Drittel in die umliegenden Reservoirs verteilt.

Bleibt noch das Grundwasser. «Da sitzen wir fast drauf», grinst Schmutz. «Das wird hier im Grundwasserwerk Hardhof aus rund 25 Metern Tiefe entnommen und dann in die Reservoirs verteilt. Es muss kaum aufbereitet werden, da es beim Weg durch die Sedimente schon durch natürliche Filter geflossen ist.»

«Hier ist es wie im Militär: Entweder liegen oder rennen»

Plötzlich leuchten die Warnlampen neben dem grossen Bildschirm auf. In einem Becken ist der Wasserstand zu hoch und muss umverteilt werden. Schmid bleibt cool. Über die Anlage öffnet und schliesst er die entsprechenden «Hähne». «Das war jetzt keine grosse Sache. Anders als vor einigen Jahren, als wir im Seewasserwerk Lengg einen Stromausfall hatten. Da gab es innerhalb von einer Sekunde 700 Alarme. Zum Glück waren wir ausnahmsweise zu zweit am Pult. Wir mussten innerhalb von 30 Minuten alle Piketts aufbieten. Da wurde ordentlich Adrenalin ausgeschüttet», erzählt Schmid und fügt schmunzelnd hinzu: «Hier ist es ähnlich wie im Militär: liegen oder rennen.»

Es klopft an der Scheibe zur Eingangstüre. Bruno Ries kommt zum Fototermin. Der 62-jährige Instandhaltungsfachmann ist eine jener Personen, die dafür sorgen, dass die von Schmid und Co. gesteuerten Gerätschaften auch funktionieren. «Heute revidiere ich gerade die Probenahmepumpen. Da braucht es Fingerspitzengefühl.» Der gelernte Feinmechaniker liebt solche Arbeiten. Und auch, dass er immer wieder in einer anderen Anlage der Wasserversorgung zu tun hat. «Ausserdem darf ich anders als meine Kollegen hier zwischendurch auch mal raus», feixt er in Richtung Schmid und meint dann wieder ernst: «Morgen geht es dann wieder in die Lengg.» Dort wird gegenwärtig das gesamte Seewasserwerk generalüberholt. «Getreu unserem Prinzip der doppelten Absicherung, läuft dessen Betrieb bis zum Ende der Revisionsarbeiten über das Grundwasserwerk Hardhof», erklärt Schmutz. Dank Leuten wie Schmutz, Schmid und Ries bleibt in Zürich weiterhin alles im Fluss und steht der Bevölkerung auch künftig jederzeit genügend Trinkwasser von bester Qualität zur Verfügung. Ein Umstand, den nicht alle Städte dieser Welt von sich behaupten können.

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