Reportage
Skatepark: Sorgen um die Kiddies
Von: Clarissa Rohrbach
In der Allmend eröffnete am Samstag der grösste städtische Freestyle-Park der Schweiz. Die Fahrer freuen sich, sorgen sich aber wegen der vielen Kinder mit Trottinetts.
«Wir sind hier auf einer Sportanlage, keinem Spielplatz.» Dieser Satz kommt identisch aus dem Munde der meisten Skater im Freestyle-Park beim Sihlcity. An diesem Samstag feiern sie die Eröffnung des 8000 Quadratmeter grossen Geländes und des Bike-Parks nebenan. Aus den Lautsprechern läuft Hip-Hop, Hunderte von Jungs mit Mützen und farbigen Turnschuhen stehen neben den Rampen, ihre Skateboards an den Beinen angelehnt, ihre Hände in den Hosentaschen.
Die Stimmung ist entspannt, obschon ganz derbe Tricks gezeigt werden. So rollt ein junger Mann mit Kapuzenpulli über ein Totenkopf-Graffito, springt, dreht sein Brett in der Luft und landet dann wieder darauf. Ein Flip-Trick nennt sich das. Ein anderer rutscht mit dem Board einem Geländer entlang: ein Railslide. Nicht immer gelingen die Tricks, manche Fahrer fallen hin, stehen aber sofort wieder auf – ihr Körper wie aus Gummi – und packen wieder tapfer das Skate, um weiterzumachen. An diesem Tag bewegen sich auch Dutzende von Kleinkindern mit dem Trottinett auf der Anlage. Haarscharf kreuzen sie die Skater. Der Moderator des Anlasses sagt mehrmals ins Mikrofon: «Alle Scooter weg vom Platz bitte, diese Anlage ist gemacht zum Skaten, ‹please respect the golden rule›.»
Die Skater springen teilweise von ihren Brettern ab, um den Kindern auszuweichen. Bleiben dabei aber relaxt und geniessen den Tag, für den sie zehn Jahre lang gekämpft haben. So lange brauchte es, bis die Stadt den 4,5 Millionen teuren Freestyle-Park baute. «Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Durchhaltewillen, dafür verdienen Sie grossen Respekt», meint Stadträtin Ruth Genner bei der Eröffnungsrede. Und: Die Stadt meine es ernst mit der Förderung des Freestyle-Sports. Die Skater sind sich einig, dass der Park ein Paradies sei, so etwas Grandioses übertreffe die Erwartungen; man könne sich mit den grössten Städten Europas messen. Weltmeister Iouri Podladchikov bezeichne den Park als «seine zweite Wohnstube», das sei eine grosse Bestätigung, fügt Genner hinzu.
Doch bei aller festlichen Atmosphäre ist der leise Frust über die Kinder mit den Trottinetten spürbar. «Jetzt haben wir uns so lange für eine Trainingsanlage eingesetzt, und sie verkommt schon zum Spielplatz», sagt der 21-jährige Theis Strupler, der wegen des Regens eine Pause einlegt. Um die Kinder zu vertreiben, hatte eine Gruppe von Skatern vor einigen Wochen gefälschte Trottinett-Verbotsschilder montiert und Briefe an die Quartierbevölkerung verschickt. «Das hat viele verärgert, es war ein Fehler. Wir wollen Familien nicht angreifen, aber sie müssen verstehen, dass die Anlage für Kinder gefährlich ist.» Strupler erzählt, dass er acht- von zehnmal von seinem Skateboard abspringen muss, weil ein Kleinkind mit verträumtem Blick mitten auf einer Rampe steht. «Klar, passen wir auf, aber ein Kind in diesem Alter schaut weder links noch rechts; es ist eine Frage der Zeit, bis etwas Schlimmes passiert.» Die Skater würden verstehen, dass die Anlage für alle gedacht sei, aber die Eltern sollten über die Gefahr aufgeklärt werden. Eine gemeinsame Lösung müsse gefunden werden – wie etwa separate Zonen.
Mittlerweile hat es wieder aufgehört zu regnen – die «Competition» geht weiter. Zwischen farbigen Schriften und grünen Inseln nehmen die Fahrer Anlauf, die Räder rattern auf dem Beton, ab und zu knallt es, wenn ein Brett sich selbstständig macht. «Das ist ja nicht normal, was die alles können!», meint ein 10-Jähriger zu seinem Freund. Auch eine Frau und ihr 8-jähriger Sohn mit Trottinett schauen zu; sie kommen jeweils extra aus Oerlikon in die Allmend. «Mein Sohn fährt zwar langsam, aber wenn ich das hier jetzt sehe, habe ich schon ein bisschen Angst um ihn.» Der Kleine meint stolz dazu: «Nein, ich fahre nicht langsam, ich fahre schnell!»
Der Moderator ruft inzwischen: «Ich sehe Bern! Ich sehe Genf! Los, Jungs!» Der Park zieht Besucher aus der ganzen Schweiz und sogar Deutschland an. Für die Zürcher kein Problem: «Bei uns gehts ums Zusammensein», sagt Guy Kämpfen, der von den Anwesenden als «Legende» bezeichnet wird. Ab und zu läuft jemand an ihm vorbei und schüttelt ihm die Hand.
Der 34-jährige Kämpfen fährt seit 1987 in Zürich Skateboard. Früher gab es in der Stadt keine Möglichkeiten zum Freestylen. «Wir mussten auf die Landiwiese oder auf die Strasse; der Park hier ist nun perfekt und stört niemanden.» Er sei erleichtert, dass die Stadt die Anliegen der Skater endlich ernst nehme, doch habe es für ihn zu lange gedauert. Kämpfen hatte schon für einen Skatepark gekämpft, als er 20 Jahre alt war. Heute kommt er in die Allmend, um seine alten Kollegen zu treffen. Der Park sei ein idealer Treffpunkt nach der Arbeit oder über Mittag. Auch er sieht eine Gefahr in den Trottinetts. «Aber schliesslich müssen wir miteinander auskommen; es freut mich, dass diese Kinder wenigstens nicht vor dem Computer sitzen, und hoffe, sie tauschen bald das Trottinett gegen ein Brett.»
Die Eltern scheinen vom Unbehagen nichts mitzubekommen. Eine Mutter mit zwei Kindern meint, sie habe mehrere Stunden zugeschaut und habe keine Bedenken, da alle aufeinander Rücksicht nehmen würden. Doch ist der Konflikt zwischen Klein und Gross im Freestyle-Park fast schon vorprogrammiert. Stadtrat Gerold Lauber sagt bei seiner Rede noch mahnend: «Wichtig ist die Selbstregulation, ihr müsst euch jetzt selber organisieren.» Wie das gehen soll, stellt sich in den nächsten Monaten heraus.
Freestyle- und Bike-Park sind jeden Tag kostenlos von 8 bis 21 Uhr zugänglich.
Das Video mit den besten Tricks der Skatepark-Eröffnung finden Sie hier.
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