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Reportage

Der Autor vor einigen der vielen neuen Strassenbezeichnungen in Neu-Oerlikon. Bild: Regula Weber

Spaziergang durch Oerlikon

Von: Urs Hardegger

23. Januar 2018

ZÜRICHS STRASSEN Seit August 2014 stellte Urs Hardegger jede zweite Woche im «Tagblatt» einen Ort in Zürich vor. Mit dem heutigen Beitrag, der sich um die Oerliker Strassennamen dreht, wird die Serie auf Wunsch des Autors beendet.

Zugegeben, es ist etwas verwegen. James Joyce brauchte 1000 Seiten, um die Odyssee seines Protagonisten Leopold Bloom durch Dublin zu beschreiben. Ich handle meine Erkundigungen durch Neu-Oerlikon in dieser Kürze ab. Aber der Anfang ist gesetzt. Die James-Joyce-Strasse, entlang des MFO-Parks. Joyce wählte Zürich zweimal zu seinem Lebensmittelpunkt und liegt auch in Zürich begraben. Teile seines Hauptwerks «Ulysses» entstanden in Zürich. Mit den Strassen, die an Ricarda Huch und Elias Canetti erinnern, sind gleich zwei weitere Literaten von Weltformat in unmittelbarer Umgebung verewigt. Sie haben beide zeitweise in Zürich gewohnt. Es sind vor allem die illustren Namen, die diesen Strassen, die meist nur eine Blockzeile kurz sind, Glanz verleihen.

Verleger und Schauspieler

Als das Industriegebiet vor 20 Jahren in ein Wohngebiet umgestaltet wurde, entstanden viele neue Strassen. Diese wurden nach Dutzenden von Persönlichkeiten benannt, die einen Bezug zu Zürich haben. Ein paar Meter weiter findet man beispielsweise Emil Oprecht, den Zürcher Buchhändler und Verleger, und die berühmte Schauspielerin und Brecht-Interpretin Therese Giehse. Zwei mutige Menschen, die in den Zeiten des nationalsozialistischen Terrors ihre Stimme für das freie Wort erhoben. Oprecht verlegte Exilautoren, und Giehse trug zur damaligen Hochblüte des Schauspielhauses bei. Bei so prestigeträchtigen Namen könnte man stolz sein. Sind aber nicht alle. «Es fehlen Personen mit Oerliker Bezug», beklagte sich ein alteingesessener Oerliker kürzlich bei mir. Aber halt! Die gibt es. Immerhin wurden auch der Verfasser der Ortsgeschichte Oerlikons, Armin Bollinger, die Firma Brown-Boveri und der Kondomproduzent Lamprecht mit einer Strasse geehrt.

Doch vielleicht darf man sich Strassenbenennungen in einer Stadt nicht zu kleinräumig denken. Ganz im Sinne der Volksschauspieler Margrit Rainer und Ruedi Walter, denen auch eine Strasse gewidmet ist. «Mir händ statt äm Broadway und Champs-Élysées äs Bellevue, was wänd mir no meh», heisst es in ihrer Hymne auf die Kleinstadt Zürich. Was wie ein Trost klingt, drückt das Dilemma aus. Ist man nun eine grosse Kleinstadt oder eine kleine Grossstadt?

Mit dieser offenen Frage verabschiede ich mich von Ihnen. In den letzten dreieinhalb Jahren habe ich 70  Beiträge zu Zürichs Strassen verfasst. Für das Echo und die vielen interessanten Anregungen aus der Leserschaft möchte ich mich herzlich bedanken.

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