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Reportage

Je aufwendiger, desto teurer die Vorspeise: Nüsslisalat mit Crevetten. Symbolbild: PD

Teure Appetitanreger

Von: Sacha Beuth

27. Januar 2015

Warum sind Vorspeisen in Zürcher Restaurants verhältnismässig teuer, und warum haben sich die Unterschiede zuletzt noch verstärkt? Das «Tagblatt» hat nachgeforscht.

«Tagblatt»-Leser Michael B. wollte erst seinen Augen nicht trauen, als er auf die Speisekarte eines Restaurants der gehobenen Mittelklasse im Seefeldquartier blickte. Satte 23 Franken wurde da für einen Caesar’s Salad verlangt. «Für diesen Preis bekomme ich in anderen Restaurants ein ganzes Mittagsmenü oder wenigstens einen warmen Hauptgang», empört sich Michael B. und glaubt: «Früher war der Unterschied nicht so extrem».

Frage der Kalkulation

Wie das «Tagblatt» in einer Recherche feststellte, ist diese Diskrepanz zwischen Vorspeise und Hauptgang in Zürcher Gaststätten keine Seltenheit. So kostet ein Teller Rohschinken in einem Lokal 18.50 Franken, den Schweinsbraten mit Beilage gibts gleichenorts dafür schon für 25.50 Franken. In einem anderen kostet der gemischte Salat 14.50 Franken, die Spaghetti bolognese als Hauptgang 21 Franken. Gastro-Experte Walter Kunz, Herausgeber von «Waltis Beizenführer», stützt die Recherche des «Tagblatts»: «Vorspeisen sind in der Stadt Zürich grundsätzlich überdurchschnittlich teuer.» Er hat dafür mehrere Erklärungen. «Ein Wirt eines einfachen Quartierrestaurants, der als Vorspeise vielleicht nur einen Salat oder eine Suppe anbietet, kann beim Einkauf besser kalkulieren als der Betreiber eines Lokals der gehobenen Preisklasse. Ersterer weiss in etwa, wie viele Gäste er mittags zu erwarten hat, bietet eine kleinere Auswahl an Vorspeisen, kann dadurch viel besser vorbereiten und braucht weniger verschiedene Lebensmittel auf Lager. In einem Nobelrestaurant ist die Auslastung in der Regel schwerer abzuschätzen und die Vorspeisenauswahl grösser, was ebenfalls kostentreibend ist.» Auch dürfe man nicht vergessen, dass in edleren Restaurants eher edlere Zutaten verwendet werden. «Meeresfrüchte oder Kalbfleisch kosten im Einkauf mehr als Salat oder einfache Teigwaren.» Ein weiterer Grund ist der Umstand, dass man in der Stadt Zürich weit mehr als im Umland hohen Wert auf die Präsentation einer Speise lege. «Rohschinken gefällig zu drapieren, ist mit Mehraufwand verbunden, was sich wiederum im Preis niederschlägt.»

Kunz bestätigt, dass sich die Unterschiede im Vergleich zu früher teilweise noch verstärkt haben. «Die Leute essen heute im Schnitt weniger als früher, verzichten auf den einen oder anderen Gang und leisten sich zudem weniger oft einen Wein zum Essen. Der Wirt muss diese Mindereinnahmen irgendwie ausgleichen, und eine Massnahme sind teurere Vorspeisen.»

Den Aufwand und die veränderten Essgewohnheiten als Ursache der hohen Preise führt auch Ernst Bachmann, Präsident von Gastro Zürich und Wirt der Muggenbühl Gaststuben, an. «Ob ich ein Gericht als Hauptgang oder als Vorspeise zubereite, macht von den Produktkosten her praktisch keinen Unterschied, aber der Aufwand ist der gleiche.» Als Wirt müsse man schauen, dass die Rechnung am Schluss irgendwie aufgehe. Trotzdem gibt Bachmann zu: «Manchmal bin auch ich erstaunt, wie viel die Leute für gewisse Vorspeisen bereit sind zu zahlen.»

Kunz sieht die Sache ähnlich. «Solange der Gast nicht übervorteilt wird, ist alles okay.» Ihm selbst diene als Massstab immer ein einfacher (!) Blattsalat. «Kostet er über 10 Franken, sind oft auch die Preise für die anderen Vorspeisen überrissen.»

PS: Waltis Beizenführer ist im Buchhandlung für 20 Franken erhältlich. Weitere Infos: www.waltis-beizenfuehrer.chwww.waltis-beizenfuehrer.ch

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