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Reportage

Ein Pioniertrupp birgt einen vermeintlichen Verletzten aus einem Trümmerfeld. Bild: Sacha Beuth

Training für die Helfer in der Not

Von: Sacha Beuth

23. September 2014

«Orten und Retten» hiess das Motto einer Stadtzürcher Pionier-Kompanie des Zivilschutzes. Das «Tagblatt» hat die Einheit bei ihren Übungen begleitet.

Donnerstagmorgen im Ausbildungszentrum Rohwiesen im Glattpark. Die Anlage wimmelt von Zivilschützern in ihren graugrün-orangen Tenüs. Die 90  Mann einer Pionier-Kompanie absolvieren einen 5-tägigen WK, der unter dem Motto «Orten und Retten» steht. Kompaniekommandant Leevin Schaub besammelt seine Männer und erklärt ihnen die – imaginäre – Ausgangslage: In einem besiedelten Gebiet hat sich eine Gasexplosion ereignet. Überall liegen Trümmer. Nun sollen allfällige Verschüttete geortet und geborgen sowie Trümmer gesichert und wenn nötig geöffnet und verschoben werden. Dann werden den Korporalen die Einsatzsektoren zugeteilt, und sie machen sich mit ihren Gruppen zu den verschiedenen Übungsposten auf.

Konzentriert gehen die Pioniere an die Arbeit, vermitteln dabei aber nicht den Eindruck, als würde es sonderlich eilen. «Bei einer solchen Übung ist Rennen verboten. In der Hast könnte es in einer Trümmerlandschaft schnell passieren, dass der Helfer selber in Gefahr gerät. Und das gilt es in jedem Fall zu verhindern», erklärt Michael Henzi, der als Chef Fachbereich Unterstützung und Logistik die Übung ebenfalls mitverfolgt.

Bei einem Posten sind ein gutes Dutzend Zivilschützer gerade daran, ein hydraulisches Kissen unter ein riesiges Trümmerteil zu platzieren. Damit will man den Brocken anheben? «Oh ja, das Kissen schafft sogar Gegenstände von bis zu 49 Tonnen», entgegnet Henzi. Keine 50 Meter entfernt sprühen die Funken. Zwei Pioniere nehmen mit Schneidbrennern einen Metallträger auseinander. «Aus Sicherheitsgründen finden diese Arbeiten etwas abgesondert statt. Im Ernstfall wären die Teile wohl nicht so leicht zugänglich.»

Plötzlich erklingt ein Hilferuf aus einem der Trümmerhaufen. Ein Pionier, der einen Verschütteten darstellt, hat ihn ausgestossen. Sofort macht sich ein Trupp unter der Leitung von Arun Vaghela auf, um den Hilfsbedürftigen zu lokalisieren und zu bergen. Unterhalb der Unfallstelle lässt Vaghela halten und schickt zwei Mann los, die sich ein Bild von der Situation machen und ihm Bericht erstatten sollen. «Ein Mann verschüttet. Er ist ansprechbar, aber sein rechtes Bein ist eingeklemmt», lautet schliesslich der Befund. Vaghela überprüft nun selbst die Sachlage und weist dann jedem Truppmitglied eine Aufgabe zu. Und während seine Leute mit Spreizgerät und Bahre anrücken, um den Verschütteten aus seiner misslichen Situation zu befreien, zieht sich Vaghela in die Rolle des Beobachters zurück. Nur einmal greift er kurz ein und führt eine Patientenbefragung durch. «Es hätte eine Rückenmarksverletzung vorliegen können. Der Verschüttete wurde aber nicht entsprechend danach gefragt, und so musste ich eingreifen», erklärt Vaghela.

Wunsch nach weniger Leerlauf

Ansonsten läuft die Übung wie gewünscht ab. Vaghela ist zufrieden. Und der Trupp darf sich eine Pause gönnen. Sofort schnappen sich Benjamin Fischer (30) und Benjamin Lohrmann (29), die den Verschütteten auf der Bahre beförderten, eine Wasserflasche. Trotz der Anstrengung leisten beide gerne Zivilschutz. «Auch wenn man oft das Gleiche machen muss, so ist es doch eine sinnvolle Sache. Man kann Menschen in Not helfen», findet Fischer. So sieht es auch Lohrmann. «Hier sind alle sehr motiviert bei der Sache. Gut, manchmal gibt es lange Wartezeiten. Aber das ist wohl im Militär nicht anders.» Das Einzige, was beide wirklich bedauern, ist, dass man nicht auch ausserhalb einer Notsituation für die Zivilbevölkerung Dienstleistungen erbringt. «Gerade in den Bergen wären Sie doch froh, wenn wir bei Lawinenbefestigungen oder dem Anlegen von Wegen und Brücken helfen könnten», glaubt Lohrmann. Henzi hat Verständnis für dieses Anliegen. Trotzdem stellt er klar. «Bergwege bauen ist nicht das Kerngeschäft der Zivilschutzpioniere. Deren Hauptaufgabe liegt in dem, was wir heute gesehen haben. Und weil sie das im Ernstfall aus dem FF beherrschen sollen, muss man es auch immer wieder trainieren.»

Der Zivilschutz

Als Geburtsstunde des Zivilschutzes gilt das Jahr 1928, als der Bundesrat auf Empfehlung des Internationalen Roten Kreuzes eine «Eidgenössische Gasschutzkommission» zum Schutz der Bevölkerung gegen den chemischen Krieg schuf. Daraus entwickelt sich der Luftschutz, der 1954 in Zivilschutz umbenannt wird. Der Zivilschutz der Stadt Zürich untersteht Schutz & Rettung Zürich und ist die grösste Zivilschutzorganisation der Schweiz. Er besteht aus 2380 Zivilschutzpflichtigen, die zusammen jährlich 12000 Diensttage leisten.

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