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Reportage

Im wahrsten Sinne des Wortes schwer verliebt: Galapagos-Riesenschildkröten-Männchen Jumbo (oben) und Weibchen Nigrita bei der Paarung. Bild: Zoo Zürich, Enzo Franchini

Triebhafte Senioren

Von: Severin Dressen

10. Mai 2022

ZOO INTERN Alle zwei Wochen berichtet das «Tagblatt» über Neues oder Wissenswertes aus dem Tiergarten. Heute geht es um Galapagos-Riesenschildkröten.

Wir Menschen haben die Tendenz, von uns auf andere zu schliessen. Aus der Psychologie kennen wir dafür den Begriff der «Projektion». Das heisst, wir schreiben unseren Mitmenschen gerne eigene Eigenschaften oder Emotionen zu. Ab und zu gehen wir dabei noch weiter und stülpen unsere menschlichen Gefühle oder Wünsche auch Tieren über. Spüren wir den Frühling, sehen wir das Verliebtsein auch bei ihnen. Glauben wir an die Partnerin oder den Partner fürs Leben, stellen wir uns ähnliche Konstrukte in ihrer Lebensweise vor.

Diamantene Hochzeit

Seit 60 Jahren leben Nigrita und Jumbo zusammen im Zoo Zürich. Handelte es sich dabei nicht um Galapagos-Riesenschildkröten, würden sie in diesem Jahr ihre Diamanthochzeit feiern. Sie ist ungefähr 86 Jahre alt. Er ein gutes Stück jünger – um die 70. Zusammen haben die beiden über all die Jahrzehnte 125 kleine Schildkröten bekommen. Seit letztem Herbst sind Nigrita und Jumbo sogar Grosseltern – was beachtlich ist, wenn man bedenkt, dass diese Tierart erst mit etwa 25 Jahren geschlechtsreif wird.

Wer die zwei zurzeit beobachtet, kann unschwer feststellen: Das Begehren zwischen ihnen hat auch in all den Jahren des Zusammenseins nicht nachgelassen. Jumbo macht Nigi, wie Nigrita zoointern liebevoll genannt wird, noch immer Avancen und diese lässt sie zu. Aktuell noch in der Innenanlage, in den nächsten Wochen, wenn die Bodentemperaturen wieder wärmer werden, im saftig grünen Aussengehege. Die Aussichten auf weiteren Nachwuchs im Zoo Zürich sind also intakt. Verantwortlich dafür sind aber nicht die menschlichen Frühlingsgefühle, sondern die tierischen Triebe.

Alleinstellung in Europa

Trotzdem bleibt zu erwähnen, dass es ausser dem Zoo Zürich keinem anderen europäischen Zoo bisher gelungen ist, die bedrohten Galapagos-Riesenschildkröten so erfolgreich zu züchten. Dass es bei uns im Zoo Zürich regelmässig zu Nachwuchs kommt, mag an vielen zusammenspielenden Faktoren liegen: der Haltung, dem Futter, den klimatischen Bedingungen und vielen noch zu erforschendem Unbekanntem. Vielleicht – und natürlich haben wir sie da wieder, die Projektion und Vermenschlichung – spüren Nigrita und Jumbo aber tatsächlich auch nach 60 Jahren noch den Frühling, weil sie ihren Partner fürs Leben gefunden haben und voneinander angetan sind wie am ersten Tag. Gratulation zur diamantenen Hochzeit! So oder so. 

 

Artenschutz durch Zucht

Der Zoo Zürich führt seit 2004 das Europäische Zuchtbuch für die Galapagos-Riesenschildkröten. Ein Zuchtbuch dient dem Erhalt der Art und ist ein wichtiges Instrument bei der gezielten Zucht. Darin enthalten sind die Stammbäume und Daten der Tiere. Es kann auch Empfehlungen zur Verbesserung von Haltungsbedingungen beinhalten.

Weitere Infos: www.zoo.ch

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