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Reportage

Eisbärmutter mit Jungtier im Zoo Mulhouse: Werden die Raubtiere bald nur noch in Tiergärten zu bewundern sein? Bild: SB

Verschwinden die Herren der Arktis?

Von: Sacha Beuth

13. Juni 2017

Geht die globale Erwärmung weiter wie bisher, wird es in wenigen Jahrzehnten keine Eisbären mehr geben. Den Raubtieren droht nicht nur der Hungertod, sondern auch die Eliminierung durch die Vermischung mit Braunbären.

Mit tapsigen Schritten verfolgt der kleine Eisbär seine Mutter durchs Gehege im Zoo Mulhouse und fordert sie immer wieder zum Spielen auf. Mama aber hat keine Lust, wehrt die Bemühungen des Nachwuchses sanft mit den Tatzen ab und sucht ein Schattenplätzchen auf. Verständlich, denn an der prallen Sonne ist es an diesem Junitag (auch für Nicht-Eisbären) schlicht zu heiss.

Ist die Wärme für die Zoo-Eisbären einfach unangenehm, so wird sie für deren frei lebende Artgenossen auf Dauer existenzbedrohend. Der Grund liegt an der Ernährungsweise der Raubtiere, deren Beute zum grossen Teil aus Robben besteht. Mit deren fettreichem Fleisch schlagen sie sich im Winter voll und zehren dann im Sommer zumeist von den Reserven. Nun sind Eisbären zwar gute Schwimmer – eine Robbe im Wasser einzuholen schaffen aber auch die Herren der Arktis nicht. Ihre einzige Chance besteht darin, sich auf dem Packeis möglichst nahe an ein Loch im Eis heranzuschleichen und – wenn dann eine Robbe zum Atemholen auftaucht – mit den Tatzen blitzschnell zuzuschlagen. Die Methode ist schon unter normalen Umständen wenig effizient. In neun von zehn Fällen entwischt die Robbe dem Bären. Durch die globale Erwärmung wird die Jagd nun zusätzlich erschwert. Die eisfreie Periode dauert länger, und die Jagdsaison ist entsprechend kürzer. Die Folge: Viele Eisbären hungern, einige verhungern sogar.

Verwandter Eroberer

Gegenwärtig wird die Zahl der Eisbären von der Weltnaturschutzorganisation IUCN auf rund 26000 Exemplare geschätzt, die sich auf 19  Populationen verteilen. Im Jahr 2014 konnte nur bei einer einzigen Population (im kanadischen McClintock-Kanal) eine Bestandeszunahme nachgewiesen werden. Sechs waren stabil, drei schrumpften, und bei den übrigen lagen zu wenig verlässliche Angaben vor. Der Trend ist insgesamt also negativ.

Doch es ist nicht die erschwerte Nahrungsbeschaffung allein, welche die Eisbären bedroht. Wegen des Klimawandels dringen Braunbären immer weiter nach Norden vor und gelangen so in den Lebensraum der Eisbären. Beide Arten sind nahe verwandt und können – was in Zoos nachgewiesen werden konnte – fruchtbare Nachkommen zeugen. Diese Hybride, Cappuccino-Bären genannt, kommen nun auch in der Natur vor. In Kanada wurden 2006 und 2010 Bären geschossen, die sich per DNA-Nachweis als Mischlinge entpuppten. Stossen immer mehr Braunbären ins Eisbär-Habitat vor, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass es zu weiteren Paarungen kommt und mit der Zeit der Eisbär, so wie wir ihn kennen, durch die Hybridisierung ganz verschwindet oder zumindest nur noch in Zoos beobachtet werden kann.

Zahlen und Fakten zum Eisbär

Mit einer Länge von bis zu 3,40 m und einem Gewicht von bis zu 800 kg gilt der Eisbär als grösstes Landraubtier der Erde. Gegen die tiefen Temperaturen in der Arktis schützen ihn einerseits sein dichter Pelz, dessen äussere Haare hohl sind und so ein isolierendes Luftpolster bilden. Andererseits die schwarze Haut, die einfallendes Sonnenlicht optimal absorbiert, sowie die darunterliegende 5 bis 10 Zentimeter dicke Fettschicht. Eisbären leben in den arktischen und gelegentlich subarktischen Gefilden Nordamerikas, Asiens und Europas. Neben Robben stehen auch Beeren, Eier, Fische, Vögel, Kleinsäuger und Aas auf ihrem Speisezettel. Trächtige Eisbärenweibchen ziehen sich zum Gebären in eine meist selbst gegrabene Schneehöhle zurück, wo nach einer Tragzeit von 195 bis 265 Tagen ein bis vier je 400 bis 900 g schwere Junge geboren werden. In freier Wildbahn werden Eisbären rund 25 Jahre, in Zoos bis zu 34 Jahre alt.

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