mobile Navigation

Reportage

Weite Teile Zürichs vom Seebecken bis Altstetten liegen auf dem Schwemmkegel der Sihl (rot schraffiert) und sind stark hochwassergefährdet. Bild: AWEL

Wie sich Zürich gegen Überflutung wappnet

Von: Sacha Beuth

30. Januar 2018

Stürme mit starken Regenfällen haben einige Flüsse teilweise stark anschwellen lassen. Obwohl keine unmittelbare Gefahr einer Überschwemmung in Zürich droht, räumen die Behörden Schutzmassnahmen hohe Priorität ein.

In den letzten Wochen sorgten Hochwassermeldungen in vielen Teilen Europas für Schlagzeilen. Und wer sich in Zürich die braunen Wassermassen der Sihl und der Glatt anschaut, kann leicht das Gefühl bekommen, dass Zürich bald ebenfalls die Auswirkungen der vergangenen Stürme mit starken Regenfällen und Schmelzwasser zu spüren bekommt, zumal grosse Teile der Stadt den natürlichen Schwemmkegel der Sihl bilden (siehe Grafik oben rechts).

Doch Wolfgang Bollack, Mediensprecher beim kantonalen Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel), gibt Entwarnung. Zumindest für die nächste Zeit. «Es mag sein, dass einem die Sihl gegenwärtig durch ihre starke Strömung und den hohen Wasserstand etwas bedrohlich vorkommt. Doch das ist zu dieser Jahreszeit normal und das Risiko einer Überschwemmung im Moment sehr gering.» Es gebe zwar gerade sehr viel Schnee in den Bergen. Aber erst, wenn es kurzfristig sehr warm werde und gleichzeitig starke Regenfälle im Einzugsgebiet der Sihl niedergehen würden, könnten in Zürich Sihl und See über die Ufer treten. Das letzte Mal geschah dies im Sommer 1910, als Hochwasser weite Teile Zürichs vom Seebecken bis nach Altstetten überschwemmte. Und wäre 2005 das Niederschlagszentrum statt im Berner Oberland über dem Sihl-Einzugsgebiet gelegen, dann wäre eine Überschwemmung in Zürich wohl nicht zu verhindern gewesen. «Damals hatten wir Glück», erzählt Bollack. «Die Sihl wies eine Fliessgeschwindigkeit von 280 Kubikmeter pro Sekunde auf. 50 Kubikmeter mehr hätten enormen Schaden angerichtet.» Beim Awel rechnet man, dass je nach Ausmass des Hochwassers 1500 bis 3600 Gebäude in Zürich betroffen sein könnten, darunter auch der Hauptbahnhof. Weil sich viele Sachwerte wie Rechenzentren in den Untergeschossen der Gebäude befinden, könnte dies wiederum direkte Kosten von etwa 6.7 Mia. Franken nach sich ziehen – Folgekosten nicht eingerechnet.

Entlastungsstollen geplant

Angesichts der Umstände haben Kanton und Stadt seither ihre Massnahmen punkto Hochwasserschutz stark ausgebaut. Im Fokus steht dabei die Sihl. Die Limmat kann gut über das Wehr beim Platzspitz reguliert werden, und die Bäche in Zürich wie der Brandbach treten zwar häufiger über die Ufer, die Schäden sind aber in der Regel lokal und halten sich meist in Grenzen. Als wichtigste Massnahme bei der Sihl nennt Bollack die Erhöhung der Durchflusskapazität beim Hauptbahnhof, die Vorabsenkung der Pegel von Sihl- und Zürichsee bei drohendem Hochwasser und den letztes Jahr bei Langnau am Albis fertiggestellten Sihl-Schwimmholzrechen, der eine Verstopfung durch Treibgut an kritischen Stellen verhindern soll. «Trotzdem haben Simulationen gezeigt, dass es bei einem extremen Hochwasser, welches laut Statistik alle 300 bis 500 Jahre vorkommt, zu Überflutungen in Zürich kommen könnte. Darum soll ein für 2023 geplanter Entlastungsstollen von Langnau am Albis nach Thalwil gebaut werden, der im Notfall Sihlwasser direkt in den Zürichsee leitet.» Noch ist der Stollen allerdings in der Projektierungsphase und muss erst von Regierungs- und Kantonsrat abgesegnet und dann gebaut werden. Bleibt zu hoffen, dass dies vor einem allfälligen Jahrhunderthochwasser geschieht.

 

Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von tagblattzuerich.ch

zurück zu Reportage

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare