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Reportage

Gemeinsam sind sie am Puls: Redaktor Sacha Beuth (vorne im Bild), Franziska Reich vom Bestattungsamt, Grit Podien von den Kanzleidiensten, Dariush Azimi, Sachbearbeiter Einbürgerungen, Irène Imhof vom Zivilstandsamt und Stephan Sandhofer vom Personenmeldeamt (v. l.). Bild: Nicolas Y. Aebi

Wo die Zürcher ein und aus gehen

Von: Sacha Beuth

17. Juli 2018

AM PULS Ob Geburt, Wohnortwechsel, Eheschliessung, Einbürgerung oder der Tod eines Angehörigen – fast jede Bewohnerin oder jeder Bewohner Zürichs muss für einen Behördengang mindestens einmal das Stadthaus aufsuchen. Dabei gehen die Mitarbeitenden mit viel Einsatz und Fingerspitzengefühl ihren Aufgaben nach.

Mit einem strahlenden Lächeln entsteigt die dunkelhaarige Braut aus der cremefarbenen Limousine und schreitet auf ihre Bekannten und Verwandten zu, die vor dem Stadthaus warten. Doch nach wenigen Augenblicken wird sie von der Brautführerin bereits ins Innere des Gebäudes gezogen. Die Zeit drängt. Im Stadthaus herrscht Jubel, Trubel, Heiterkeit. Viele Paare geben sich heute das Jawort. Auch in den externen Traulokalen, der Weinschenke des Hotels Hirschen, im Zunfthaus zur Waag und im Masoala-Regenwald des Zoos Zürich, wird fleissig getraut. «Dementsprechend sind die Zivilstands­­beamten gefordert. Eine Mitarbeiterin von mir hat allein heute neun Paare zu trauen», erzählt Irène Imhof (28), Teamleiterin beim Zivilstandsamt. Trotzdem sei es eine ehrenvolle und vor allem schöne Aufgabe. «Man ist nah an den Menschen, nimmt teil an ihrem Glück und ihrer Freude.» Kein Tag sei wie der andere. Und oft ergeben sich amüsante bis unglaubliche Situa­tionen.

An diesem Freitag ist es eine blonde Braut, die laut «Yessss» ruft und die Faust ballt, als ihr frisch Angetrauter das Eheregister unterschreibt – und dafür die Lacher der Hochzeitsgäste erntet. «Das ist aber nur eine Randnotiz im Vergleich zu anderen Anekdoten», bemerkt Imhof und erzählt vom Brautpaar, das während der Trauzeremonie Selfies von sich schoss, oder vom Mann, dem es zu kompliziert gewesen sei, die nötigen Dokumente seiner vermeintlich Zukünftigen für die Eheschliessung aufzutreiben, und der darum kurz darauf eine andere heiratete. «Ein anderes Mal hat uns ein Mann mit einem Ehevermittlungsinstitut verwechselt. Er kam zu uns an den Schalter und hat Fotos heiratswilliger Frauen verlangt.»

Im zweiten Stock lädt Grit Podien (49), Leiterin der Fachabteilung Protokolle der Kanzleidienste, in ein Grossraumbüro. «Kundenkontakt gibt es hier normalerweise keinen. Trotzdem sind wir am Puls der Stadt, weil sämtliche Geschäfte des Stadtrats über unseren Tisch gehen. Was immer für Zürich beschlossen werden soll, wir erfahren es als Erste.» Podien bezeichnet ihre Abteilung denn auch als «Servicestelle» des Stadtrats, die Sitzungen vorbereitet, Traktandenlisten und Protokolle erstellt und die Geschäfte auf formelle Richtigkeit überprüft. «Besonders am Freitag vor und am Mittwoch direkt nach der Stadtratssitzung herrscht bei uns jeweils Hochbetrieb.

In der Woche vor den Sommerferien hatten wir über 60 Geschäfte zu betreuen, es gab aber auch schon Wochen mit 100 Geschäften.» Klagen will Podien deswegen nicht. Die Arbeit macht ihr Spass. «Und wenn einem mal alles zu viel zu werden droht, ist ja der Beistand von oben nicht weit», erzählt Podien mit einem Augenzwinkern und weist dabei auf eine gewöhnliche Bürotür. «Nur wenige in Zürich wissen, dass diese Tür direkt ins Fraumünster führt.» Benützt werde sie zumeist nicht. «Höchstens mal an Anlässen wie kürzlich am Tag der offenen Tür.»

Ein weiterer Vorteil der Nähe zum Gotteshaus sei, dass man während der Proben in den Genuss eines kostenlosen Orgelkonzerts komme.

In einem Nebentrakt hat Dariush Azimi eine Russin zu einem Einbürgerungsgespräch ins Büro geladen. Der 31-jährige Sachbearbeiter der Abteilung «Einbürgerungen» überprüft dabei die gesellschaftliche Integration und die politischen, historischen, geografischen und gesellschaftlichen Grundkenntnisse der Frau über die Schweiz und die lokalen Verhältnisse, nachdem sie bereits ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache in einem Test belegt hat. Zudem werden bei dieser Gelegenheit die Angaben und Daten zur Person verifiziert. «Die Herausforderung ist, im sachlichen und offenen Gespräch alle für die Einbürgerung notwendigen Informationen einer gesuchstellenden Person zu erhalten. Es braucht hierfür manchmal etwas Fingerspitzengefühl»

Die Frau, die der Liebe wegen in die Schweiz zog, ist nach eigenen Aussagen zuerst etwas nervös, was ihr aber nicht anzusehen ist. Rund eine halbe Stunde dauert das Gespräch. Klar und korrekt beantwortet die Frau alle Fragen von Azimi. Der gibt sich hinterher beeindruckt. Aussprechen tut er es zwar nicht, aber es scheint klar, dass er das Einbürgerungsgesuch der Russin positiv beurteilen und dem Stadtrat, der wöchentlich über 40 bis 60 Gesuche zu entscheiden hat, mit der Empfehlung zur Annahme ins Stadtbürgerrecht vorlegen wird.

An den Schaltern des Personenmeldeamts für die Kreise 1 + 8 im Parterre des Stadthauses bedient Stephan Sandhofer (26) einen jungen Mann aus der Türkei, der seine Aufenthaltsbewilligung verlängern lassen will. Der Mann trägt sein Anliegen in klarem Deutsch vor. «Das ist nicht immer so. Viele sprechen kein Deutsch, sodass die Konversation in einer anderen Sprache stattfinden muss. Zum Glück beherrschen in unserem Team alle mehrere Sprachen. So müssen wir nur selten Dolmetscher beiziehen.» Das Problem sei eher, dass viele ausländische Zuzüger nicht wissen, wo und wann sie sich an- und abmelden müssen. Gefragt nach besonderen Vorkommnissen, fällt Sandhofer spontan eine Anekdote ein. «Etwa einmal pro Monat kommt eine Pensionierte vorbei, die vermutlich an Alzheimer leidet und jedes Mal eine neue ID machen lassen will. Wir fordern dann die Frau jeweils höflich auf, doch erst noch einmal in ihrem Portemonnaie oder ihrer Handtasche nachzuschauen, worauf dann das gesuchte ­Objekt meist auch auftaucht.»

Es ist nun Nachmittag geworden. Im Bestattungsamt im 1. Stock hat Beraterin Franziska Reich (35) soeben eine Frau aus ihrem Büro verabschiedet, deren Mutter gestorben ist. Reich hat die Aufgabe, die Angehörigen über die Möglichkeiten bezüglich Abdankung und Beisetzung zu informieren und die Abläufe zu koordinieren. Den ganzen Tag mit trauernden Hinterbliebenen zu sprechen, geht einem das nicht auch selbst an die Nieren? «In meinem Job soll man mitfühlen, aber nicht mitleiden. Das ist natürlich nicht immer einfach», gibt Reich zu.

Andererseits habe der Job aber auch seine positive Seite. «Die meisten Leute sind sehr dankbar, wenn man ihnen in so einer schweren Stunde die administrativen Aufgaben abnimmt, und das wiederum verschafft einem ein gutes Gefühl.»

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