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Reportage

Die Passerelle über die Pfingstweidstrasse ist Teil des 2014 fertiggestellten Gleisbogens. Bild: SB

Züri-West zwischen gestern, heute und morgen

Von: Sacha Beuth

18. Juni 2019

Unter dem Motto «Stadt entdecken» bietet das Amt für Städtebau geführte Touren durch verschiedene Quartiere an. Damit soll Interessierten vor Ort ein Einblick über die Herausforderungen der Stadtplanung ermöglicht werden. Das «Tagblatt» ging mit und sah sich die Entwicklung von Zürich-West vom Industrie- zum Stadtquartier an.

Der Raum WD0111 des Technopark-Gebäudes birgt eine Besonderheit. Hier ist es möglich, in die Zukunft zu schauen. Zumindest in die des Quartiers Zürich-West. Das Depot Hard, das Schulhaus Pfingstweid oder das neue Fussballstadion mit den beiden Wohntürmen – auf dem etwa 6 m2 grossen Modell ist alles schon vorhanden. «Wir haben bewusst ein paar Entwicklungen vorweggenommen, um den Umfang der Planung besser darstellen zu können», erklärt Cornelia Taiana (47), Architektin und Projektleiterin Arealentwicklung + Planung beim Amt für Städtebau. Dieses bietet gegenwärtig bis Ende November unter dem Begriff «Stadt entdecken» kostenlose Führungen durch verschiedene Quartiere Zürichs an, um Interessierten die tägliche Arbeit der Stadtplanung sowie den Wandel des jeweiligen Gebiets im Laufe der Zeit aufzuzeigen. «Und Zürich-West», so Taiana, «eignet sich besonders dafür, hat es sich doch innert 25 Jahren von einem Industriegebiet zu einem modernen Quartier mit rund 5800 Bewohnern und 35 000 Arbeitsplätzen gewandelt.»

Noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts sei die Gegend ein reines Landwirtschaftsgebiet gewesen und wurde «Pflanzblätz» genannt. «Mit der Schleifung der Stadtmauer 1830 und der Eröffnung der Spanischbrötlibahn 1847 wurde das Areal auch für die Industrie interessant. Steinfels, Sulzer-Escher-Wyss, Maag-Zahnräder und andere Unternehmen siedelten sich ab 1880 an. Die erste Eingemeindung 1893 sowie die Schleifung des Damms – der durch den Viadukt ersetzt wurde – im Jahr 1894 öffneten das Gebiet Richtung Stadt.» Mit dem Bau der Hardbrücke in den 1960er-Jahren und dem Autobahnanschluss 1971 erlebte das Quartier noch einmal einen Aufschwung, ehe ab 1980 die Industrie auszog und sich Zwischennutzungen ansiedelten.

Lösung, die für alle stimmt

Nach dem Ringen um eine rechtsgültige Bau- und Zonenordnung zwischen Stadt und Kanton rief der damalige Stadtpräsident Josef Estermann 1995 das «Stadtforum» ein. Grundeigentümer, Bewohner und Stadtverwaltung sollten ein gegenseitiges Verständnis aufbauen und sich auf ein Vorgehen einigen. Es wurde entschieden, eine koopera­tive Planung zu starten. Daraus resultierte das Entwicklungskonzept mit den Leitsätzen. «Dank diesem konnte der Konflikt beigelegt werden», erzählt Taiana. «Man einigte sich auf ein gemischtgenutztes Quartier aus Wohnungen, Arbeitsplätzen und Freiräumen, wobei sich die Grundeigentümer im Sinne der kooperativen Planung an den Freiräumen finanziell beteiligen. Zudem gelang es gemeinsam festzulegen, dass für die Entwicklung des Gebiets statt der Bau- und Zonenordnung verschiedene Sondernutzungsplanungen zum Tragen kommen.» Das habe den Vorteil, dass man für jedes Teilareal einzeln planen und unter Berücksichtigung der jeweiligen Qualitäten eine massgeschneiderte Lösung entwickeln könne.

Eine dieser Lösungen zeigt Taiana, als es auf den eigentlichen Rundgang geht. Schräg gegenüber des bereits 1992 erstellten Technoparks befindet sich die Überbauung Puls 5 mit der ehemaligen Giessereihalle. «Im ursprünglichen Plan war vorgesehen, die Halle komplett abzureissen. Doch die verantwortlichen Architekten wollten das historische Erbe erhalten und entschieden sich gegen diese Vorgabe. Stattdessen sollte die Halle erhalten und der Platz davor gebaut werden. Und so wurde es dann schliesslich auch gemacht.»

Taiana führt weiter zum Gleisbogen, in dessen Umfeld das Bundesasylzentrum, das EWZ-Areal Herdern sowie das Schulhaus Pfingstweid entstehen sollen. Über die Brücke und mit Aussicht auf Migros Herdern (Umbau 2009) und Toni-Areal (Umbau 2014) gehts zum 2015 fertiggestellten Pfingstweid-Park. «Für die Gestaltung das Parks wurde übrigens 2009 von Grün Stadt Zürich ein Workshop organisiert, bei dem Anwohner ihre Vorschläge miteinbringen konnten», betont Taiana.

Manchmal kommt es aber trotz sorgfältigster Planung anders als gedacht. Etwa beim wenige Schritte entfernten Maaghof. «Der bepflanzte Innenhof der Überbauung hätte durch die angrenzenden Erdgeschosse belebt werden sollen. Doch die angedachten Ateliers für Kreativnutzungen werden nicht genutzt wie geplant. Ein Austausch findet kaum statt. Hinzu kommt, dass die Wohnungen zum grossen Teil für Familien eher teuer sind.» Vorbei an der Bauminsel auf dem Maag-Areal, die von einer zahnradähnlichen Umfassung umgeben ist und damit an die Vergangenheit der Zahnradfabrik erinnern soll, gehts zum Prime Tower. «Hier war eine der Vorgaben, dass das Dachrestaurant für die Öffentlichkeit gut zugänglich ist», so Taiana. Und sie weist gleich auf die Bar im Sockel des 126 Meter hohen Gebäudes. «Das Interieur des Lokals stammt aus einer Bar in New York, wurde dort abgebaut und hier neu eingebaut.»

Die nächste Station bildet der Schiffbau. Die Tauwinden auf dem Platz wurden mit der Neugestaltung installiert und dienen als Sitzgelegenheiten. Sie sollen aber ebenso wie das unter Denkmalschutz stehende Gebäude an die Zeiten erinnern, als hier Schiffe für die ganze Welt fabriziert wurden. «Eines fuhr sogar auf dem Amazonas. Und mit der «Stadt Zürich» und der «Stadt Rapperswil» sind zwei immer noch auf dem Zürichsee unterwegs», weiss Taiana.

Ein kurzer Blick noch in die Nische hinter dem Schiffbau («An dieser Stelle musste eine Versickerungsfläche geschaffen werden»), dann geht es wieder zurück zum Technopark. Die Medientour war etwas verkürzt. Regulär würde die Führung rund zwei Stunden dauern. Angesichts der ereignisreichen Geschichte von Zürich-West scheint auch dies noch zu kurz zu sein.

«Stadt entdecken»

Vom 23. 5. bis zum 28. 11. führen Mitarbeitende der Stadt Zürich unter dem Motto «Stadt entdecken» durch verschiedene Gebiete der Stadt und durch das nächtliche Zürich. Die Führungen sind öffentlich und kostenlos. Sie werden bei jedem Wetter durchgeführt. Eine Anmeldung ist nur für Gruppen ab 12 Personen erforderlich. Die nächste Führung («Innenstadt – Altbekanntes neu entdecken») erfolgt am 20. 6. von 17.30 bis 19.30 Uhr. Treffpunkt: Brunnen auf dem Lindenhof, Tram bis Rennweg.

Kontakt und weitere Infos: www.stadt-zuerich.ch/fuehrungen-stadtgebiete

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