Reportage
Zürich ist im Sammelfieber
Von: Sacha Beuth
Sie sind zwar erst seit ein paar Tagen erhältlich, trotzdem sammeln schon Klein und Gross eifrig die Panini-Bildchen zur Fussball-WM 2014. Ein Streifzug.
Alle zwei Jahre, vor jeder Fussball-WM oder -EM, wird Zürich von einer besonderen Epidemie erfasst, gegen die es kein Mittel zu geben scheint: das Sammeln der Panini-Bildchen. Seit ein paar Tagen ist es wieder so weit. Jung und Alt, Männlein und vermehrt auch Weiblein gieren nach den Abziehbildern der Starkicker.
Besonders stark macht sich dies traditionsgemäss bei den Unter- und Mittelstufenschülern bemerkbar, wie eine Augenscheinnahme bei einem Schwamendinger Schulhaus zeigt. Kaum erklingt die Glocke, holen die Eleven ihre Sammelalben und die Stapel ihrer doppelten Bildchen hervor, und schon beginnt auf dem Pausenplatz oder auf dem Heimweg das Tauschgeschäft. «Bei uns sammelt praktisch das ganze Schulhaus», erzählt Alex (11). Wie viele der total 640 Felder des Albums er noch zu füllen hat, weiss er nicht. «Aber ich mache so lange, bis ich es voll habe. Natürlich ohne nachzubestellen». Richtig so. Schliesslich ist dies seit Generationen verpönt.
Gefragt ist vielmehr Verhandlungsgeschick beim Tauschen. Denn nicht immer wird 1:1 gewechselt. Die Wappen der Fussballverbände und einzelne Starspieler haben einen höheren Wert. «Für einen Neymar, Messi, Ronaldo oder Shaqiri erhältst du drei, vier oder mehr Bilder» erklären Suhejl (10) und Kobeshan (11) unisono. «Am schwierigsten zu bekommen sind aber gegenwärtig die Bilder der ersten sieben Felder», betont ihr Gspäändli Blindon. Bei der nahen Bushaltestelle wenden Enrico (12) und Sebastian (11) eine andere Methode an, um an die begehrten Sticker zu kommen: das «Blöösle». Beide legen ihre Bildli-Stapel an eine Wand und versuchen dann abwechselnd, möglichst viele Bilder des jeweils anderen mit einmal Blasen herunterzupusten. Die Bildli, die mit der Oberseite nach oben landen, darf der «Puster» einstecken.
Erwachsene Panini-Süchtige haben es da schwerer. «Fürs Blöösle bin ich wohl zu alt. Auch Tauschen ist schwieriger», erzählt der 32-jährige Alejandro, der seine «tägliche Ration» gerade beim Kiosk am Stauffacher kauft. «Ich versuche, übers Internet Tauschbörsen zu finden. Oder ich tausche mit Kollegen, die ebenfalls Bildli sammeln.» Dass ältere Semester diese Tätigkeit ausüben, ist übrigens keine Seltenheit mehr. «Bei mir kaufen wegen der Lage praktisch nur Erwachsene Bildli», erzählt Kiosk-Verkäuferin Jana. «Und die haben mir in den ersten Tagen, als die Bildchen herauskamen, deswegen beinahe die Bude eingerannt.» Dabei hätte es sich mitnichten nur um die Herren der Schöpfung gehandelt. «Das Sammeln der Panini-Bildchen ist zumindest gegenwärtig auch bei Frauen in.»
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