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Reportage

Sorgen für das Wohl von Mensch und Tier im Zoo (von links): Yana Aujourdhui (Gastronomie), Urs Schönenberger (Freiwilligenteam), Amanda Spillmann (Tierpräsentation),

Zwischen Riesenschlagen und Besucherschlangen

Von: Sacha Beuth

29. April 2019

Am Puls: Sind Ferien und scheint auch noch die Sonne, ist im Zoo tierisch etwas los. An den Kassen und in den Restaurants herrscht Hochbetrieb, die Stände der Freiwilligenteams sind unter Dauerbelagerung, und auch Tierpräsentatoren und Kuratoren haben alle Hände voll zu tun. Redaktor Sacha Beuth war für die Serie «Am Puls» mitten im Geschehen.

Bei strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen machte sich am letzten Mittwoch halb Zürich und Umgebung auf zu einer weiteren Völkerwanderung auf den Zürichberg. Das Ziel der Massen: der Zoo. Bis über das ­Tigerdenkmal hinaus formieren sich die Besucherschlangen am Mittag vor dem Haupteingang. ­Natürlich ist man im Tiergarten vorbereitet und hat alle fünf Kassen besetzt. «Zwei Erwachsene, zwei Kinder!», «Do you speak English?», «Bekomme ich als ZKB-Kunde Rabatt auf die Jahreskarte?» – die Fragen prasseln nur so ein auf die Zoomitarbeitenden hinter den Schaltern. Doch diese lassen sich von der Hektik nicht anstecken, geben geduldig Auskunft und händigen routiniert die gewünschten Tickets aus. «Bei dem konstanten Lärmpegel den Kopf immer bei der Sache zu haben, ist nicht einfach», erklärt Sabita Wiser, die an einer der Kassen sitzt. «Auf der anderen Seite hat man überwiegend mit gut gelaunten Kunden zu tun, die voller Vorfreude sind.» Die 40-Jährige lacht und wendet sich dem nächsten Kunden zu, druckt das Ticket aus und wünscht «einen schönen Tag». Sie wird es an diesem Tag noch einige Male sagen, denn bis zum Abend werden über 6000 Personen die Elektroschranken des Zoos passiert haben.

Im Restaurant Pantanal hat derweil Yana Aujourdhui eine grössere Menge Salat zubereitet und hilft nun mit, Pommes zu frittieren. Denn während die leckeren exotischen Gerichte an diesem Mittwoch mehrheitlich mit Nichtbeachtung gestraft werden, stauen sich die Massen bei der Ausgabestelle der goldgelben Kartoffelstäbchen. «Ja, man kommt bei diesem Andrang schon ordentlich ins Schwitzen», sagt die 50-Jährige und fügt lächelnd hinzu: «Aber Rekord ist das noch lange nicht. Wir hatten schon mehr Gäste zu bedienen.» Inzwischen ist es kurz vor 13.30 Uhr. Beim «Kraal» der Elefanten-Aussenanlage sitzen und stehen knapp 60 Besucher und warten darauf, dass die Tierpräsentation der grauen Riesen beginnt. Diese findet im Form eines Trainingsprogramms statt und wird heute von Amanda Spillmann (42) moderiert. Die Tierpflegerin hat sich mit drei Kollegen dem Gehege genähert, da schreiten auch schon die Hauptprotagonisten zur Begrüssung zu der Abschrankung. Allen voran der Bulle Thai. Der amtet als Glücksfee für das «Rüssellotto». Durch einen Schlauch soll er Luft in die Lottomaschine pusten und so die Bällchen mit den Nummern in Bewegung und zum Runterfallen bringen. Gezogen werden zwei Zahlen. Die erste Ziehung verläuft glatt, bei der zweiten scheint Thai jedoch die Puste ausgegangen zu sein, weshalb nur zwei Bällchen nach unten rollen. Gelten tuts trotzdem. «Wer hat die 98?», ruft Spillmann.

Ein kleiner Bub meldet sich und darf als «Gewinn» unter Aufsicht eines Pflegers Thai eine Banane überreichen. Während die anderen Pfleger ihr Training mit den Elefanten fortsetzen, sie die Füsse heben und das Maul öffnen lassen, erklärt Spillmann die Funktion des Rüssels und weitere Fakten zur Biologie der Elefanten. Dann erzählt sie von den Naturschutzbemühungen des Zoos in Thailand, dass der Erlös des Rüssellottos den Projekten zugutekommt, und natürlich, welcher Sinn hinter den einzelnen Trainingsaufgaben für die Dickhäuter steckt. Gerne garniert sie die Infos mit lustigen Anekdoten. «So kann man Wissen am besten vermitteln», schmunzelt Spillmann. Wissen vermitteln liegt auch Urs Schönenberger (60) und Barbara Kilchenmann (67) am Herzen. Als Mitglieder des Freiwilligenteams betreuen sie den Reptilien-Infotisch im Exotarium des Zoos. Neben Krokodilschädeln, Schlangenhäuten und weiteren Exponaten stehen ihnen auch lebendige Tiere zur Verfügung. Zwei Kornnattern und Esmeralda, eine rund drei Meter lange Boa constrictor. Letztere hebt Schönenberger aus ihrer Kiste, hält sie mit einer Hand am Kopf und wickelt sich mit der anderen ihren Körper um seine Hüfte. Sofort wird er von Besuchern umringt. «Ist die giftig?», fragt ein kleiner Bub. «Nein. Das ist eine Riesenschlange, die sind alle ungiftig», antwortet Schönenberger und schmunzelt. «Wenn wir eine Schlange auf dem Arm halten, ist das fast immer die erste Frage, welche die Besucher stellen.»

Kilchenmann hat inzwischen eine der Kornnattern auf die Hand genommen, wendet sich an die grossen und kleinen Zuschauer und sagt: «Wer will, darf die Schlangen streicheln. Aber bitte vorsichtig!» Erst zögerlich, dann immer mutiger strecken sich mehrere Besucherhände nach den beiden Reptilien, um sie zu berühren. Schönenberger nickt zufrieden. «Über den direkten Kontakt können wir die Besucher an ein Tier heranführen, das zu Unrecht ein schlechtes Image hat.» Bereits am frühen Morgen hat Dirk Lodden-kemper seine Arbeit als Kurator für Raubtiere, Huftiere und Zoolino aufgenommen. «Ein Grossteil davon sind administrative Angelegenheiten. Über E-Mail und Telefon mit anderen Zoos den Austausch von Tieren aufgleisen zum Beispiel. Oder Vorschläge für die Errichtung neuer Anlagen oder die Anschaffung neuer Tierarten ausarbeiten», erzählt der 32-Jährige. «Strategische Aufgaben, bei denen die Bedürfnisse der Tiere und Besucher mit dem Zoobetrieb in Einklang gebracht werden müssen.» Gelegentlich seien auch seine Fähigkeiten als Konfliktlöser gefragt. «Aktuell liegt das Brillenbär-Männchen mit einem der Weibchen im Clinch, nach einer versuchsweisen Zusammenlassung. Ich habe darum entschieden, dass das Männchen vorläufig wieder von der Gruppe getrennt bleibt.»

Es ist Abend geworden. Die Tore des Zoos sind geschlossen. Schönenberger und Kilchenmann sind schon nach Hause gegangen. Wiser macht noch den Tagesabschluss, Aujourdhui räumt die Stühle im Restaurant zusammen, Spillmann und Loddenkamp erledigen noch Bürokram. Morgen beginnt ein neuer Tag, der wiederum schönes Wetter mit sich bringen soll. Und damit wieder einen hohen Besucherandrang.

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