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Stadtratskolumne

Raphael Golta

Autonomie als Überlebensstrategie

Vor kurzem habe ich das MNA-Zentrum Lilienberg in Affoltern am Albis besucht, in dem unbegleitete Minderjährige aus dem Asylbereich durch die städtische AOZ im Auftrag des Kantons Zürich betreut werden. Dabei wurde ich mit teils erschütternden Schicksalen konfrontiert: Diese jungen Menschen, eigentliche Teenager, haben auf ihrer Flucht schon mehr erleben und erleiden müssen, als die meisten von uns im ganzen Leben.

Während sich Jugendliche in unserer Gesellschaft mit der Berufswahl auseinandersetzen oder mit ihren Eltern über längere Ausgehzeiten und Medienkonsum streiten, sahen sich die Jungen und Mädchen vom Lilienberg mit wesentlich existenzielleren Fragen konfrontiert: Wo schlafe ich nächste Nacht? Woher bekomme ich etwas zu essen? Wie schütze ich mich vor Übergriffen?

Um in diesem Alter und in dieser Situation überleben zu können, braucht es ein Höchstmass an Autonomie. Diese Jugendlichen mussten auf ihrer beschwerlichen Flucht ihr Schicksal zu jeder Zeit aktiv in die eigene Hand nehmen. Diese Eigenständigkeit ist so zu einem ganz wesentlichen Teil ihrer Persönlichkeit geworden und sie streben auch heute nach einem Höchstmass an Autonomie.
Das ist für unser System und die Betreuungspersonen eine grosse Herausforderung und führt mitunter zu Konflikten. Es kann aber auch ein Vorteil auf dem Weg zur Integration sein: Wer gelernt hat, sich durchzukämpfen, Chancen zu packen und sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen, der hat sich auch einiges angeeignet, um seinen Weg in unserer Gesellschaft zu machen. So zeigt dann auch die Erfahrung: Der grösste Teil der jungen Migrantinnen und Migranten erreicht den Schulabschluss und findet eine Lehrstelle. Und legt so den Grundstein für ein weiterhin eigenständiges Leben.

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