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Stadtratskolumne

Daniel Leupi

Bin ich auch ein Zürcher?

Mein Kollege Richard Wolff hat letzthin an dieser Stelle vom Treffen zwischen dem Stadtrat und Gemeinderätinnen und Gemeinderäten des Bezirkes Dietikon berichtet. Auch ich finde ein Erlebnis dieses Abends ­berichtenswert.

Zweimal pro Jahr lädt der Stadtrat Gemeindebehörden eines Bezirks zum Informationsaustausch ein, und natürlich gehört ein Nachtessen zum festen Programm. Wir Stadträte und Stadträtinnen verteilen uns auf die fünf oder sechs runden Tische. Im Laufe der angeregten Gespräche kamen wir an unserem Tisch darauf zu sprechen, wer wo aufgewachsen ist. Es stellte sich heraus, dass zwei oder drei der Dietiker Kollegen in der Stadt Zürich aufgewachsen sind, während die beiden Stadträte ursprünglich von ausserhalb der Stadt, ja sogar von ­ausserhalb des Kantons stammten.

Da stellte sich natürlich die Frage, wer denn nun «Zürcherin» oder «Zürcher» sei. Diejenigen, die jetzt mit ­ihren ­Familien in Zürich leben, hier Steuern zahlen und sich vielleicht engagieren, aber kein richtiges Zürichdeutsch sprechen und im Geheimen womöglich gar für den Fussballclub ihrer Jugendzeit schwärmen? Oder doch eher diejenigen, die Kindergarten, Schule und Berufsbildung in ­Zürich absolviert, ihre Jugendstreiche in Zürcher Quartieren verübt haben und die wissen, wie es im Zürich der 80er-Jahre zu- und herging, aber heute halt in der Agglomeration wohnen?

Wir haben die Frage nicht ausdis­kutiert. Ganz im Sinne der früheren ZVV-Werbung galt für alle am Tisch: «Ich bin auch ein Zürcher» oder «Ich bin auch eine Zürcherin». Mir hat das Beispiel wieder einmal gezeigt, dass es sich fast immer lohnt, pauschale Bezeichnungen zu hinterfragen, weil sie oft nur einen kleinen Teil der Realität abbilden. Noch manche und mancher scheint ein «Sowieso» zu sein, macht oder ist im Herzen aber vielleicht etwas ganz anderes.

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