Stadtratskolumne
Dachschaden
Als gross gewachsener Mensch bin ich es mich gewohnt, dass ich mir hin und wieder den Kopf anschlage. Der tiefhängenden Bauteile gibt es genug und Momente der Unaufmerksamkeit sowieso. Beim Besuch einer Ausstellung mit meinen Stadtratskolleginnen und -kollegen war es letzthin wieder einmal so weit: Als letzter meiner Gruppe verliess ich eiligst den Raum, um den Anschluss nicht zu verlieren. Was ich nicht beachtete: In diesem alten Haus waren die Türstöcke besonders tief, und ich knallte mit voller Wucht gegen den Balken. In meinem Hirn kreisten keine Sternchen, nein, eine veritable Supernova blitzte auf. Kaum hatte ich mich hingesetzt, begann das Blut nur so zu strömen. Erst nachdem ich mithilfe von Dritten die Blutung gestoppt hatte, konnte ich den anderen folgen, ohne eine rote Spur durch die Ausstellung zu ziehen.
Ich wollte mir ein Pflaster auf den Kopf kleben und dann wieder zur Tagesordnung übergehen. Doch die anderen befanden natürlich zu Recht, dass ich die Risswunde ja gar nicht sehen könne und diese zu nähen sei. Da die genähte Wunde nicht besonders ansehnlich war, trug ich die nächsten Tage einen breitkrempigen Hut, auch im Restaurant. Früher eine Selbstverständlichkeit, ist ein Hut heute ein Blickfang, fast mehr als eine Wunde auf dem Kopf. Die Reaktionen deckten die ganze Bandbreite ab: Von –wie ich mir zumindest einbilde – ehrlich gemeinten Komplimenten und der Aufforderung, von nun an ständig einen Hut zu tragen, über verwunderte Blicke bis hin zu Kommentaren, eine solche Kopfbedeckung sei im 21. Jahrhundert ja wohl ein alter Hut. Nicht weiter überraschend war aber, dass alle lachten, als ich, den Hut auf dem Kopf, während einer Rede erklärte, dass ich es – zumindest zurzeit – begreifen würde, wenn jemand finde, einer der Stadträte habe einen Dachschaden.
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