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Stadtratskolumne

Richard Wolff

Hellmut – die lange Geschichte einer kurzen Strasse

Die Hellmutstrasse, direkt neben der Bäckeranlage, misst knappe 80 Meter. Aber die haben es in sich. Hier wurde Stadtentwicklungsgeschichte geschrieben. Als die PTT 1971 bekannt gab, dass sie mitten in Aussersihl ein riesiges Fernmeldezentrum errichten und dafür 31 Häuser abreissen wollte, stiess sie auf ungeahnten Widerstand im Quartier. Das Buch «Hellmut» schildert diesen aufsehen­erregenden, jahrelangen Kampf mitreissend und detailliert: So erfahren wir etwa, wie es dem aufmüpfigen Völklein gelang, Bundesrat Bonvin auf eine Beizentour nach Aussersihl einzuladen und ihn so für das Quartier und die Sache der AnwohnerInnen zu begeistern.

Die Häuser wurden gerettet, das Fernmeldezentrum kam an die Aargauerstrasse. Dennoch verloren viele Menschen in Aussersihl ihr Zuhause, ja mehr noch, ihre Existenz. Das geschah 1973, als vor allem italienische ArbeitsmigrantInnen – als «Fremd-» oder «Gastarbeiter» ins Land geholt – in den Krisen­jahren nach dem sogenannten Ölschock entlassen wurden und die Schweiz verlassen mussten. 

An ihrer Stelle kamen neue Leute ins Quartier: junge, abenteuerlustige, an städtischem Leben und günstigem Wohnraum interessierte ZuzügerInnen von nah und fern, die das Quartier fortan prägen sollten – Vorboten der heute vielbeklagten Gentrifizierung.

Die «Neuen» brachten Leben, Kreativität und Vielfalt ins Quartier. Von der Werkstatt für Improvisierte Musik WIM über die Kunstschule F+F bis zum Theater Maxim und Baby Jail hat vieles, was Zürich heute ausmacht, hier seinen Ursprung. «Hellmut – Die lange Geschichte einer kurzen Strasse» zeigt beispielhaft, wie wichtig Freiräume und Nischen für das Gedeihen und die Entwicklung einer Stadt sind.

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