Stadtratskolumne
Kälte schafft Wärme
Der Winter ist zugleich eine kalte und eine warme Jahreszeit. Zwar bläst der Wind oft eisig über die weissen Dächer. Auch beim besten Wetter scheint die Sonne nur kurz, und oft bleiben die Tage unter dem Hochnebel grau und düster. Aber in den Herzen der Menschen findet sich eher mehr Wärme als in anderen Jahreszeiten. Die kurzen, kalten Tage stärken das Gemeinschaftsgefühl.
In der Natur rücken die Tiere zusammen, wenn die Temperaturen fallen. Das lässt sich zum Beispiel bei Singvögeln, Bienen und Wildschweinen beobachten und hat offensichtlich praktische Gründe: Ein Knäuel verliert weniger Energie als jedes Tier für sich allein. Wir Menschen sind heute meistens in geheizten Räumen und packen uns warm ein, bevor wir hinausgehen. Die körperliche Knäuelbildung haben wir nicht mehr nötig. Aber in der Weihnachtszeit findet etwas Ähnliches statt.
Im Dezember klingeln ja nicht nur die Kassen in den Läden. Auch viele Hilfswerke machen dann mehr Umsatz als in anderen Monaten. An Weihnachten möchten wir denen etwas von unserem Wohlstand abgeben, die weniger Glück hatten, und sind in Gedanken bei jenen, die niemanden haben. Auch die Gemeinschaft mit der Familie und mit Freunden pflegen wir mehr als sonst: Bei Kerzenlicht und Zimtduft rücken wir näher zusammen und kommen zur Ruhe. Wir geben einander Wärme, geniessen das Gefühl, zusammenzugehören, und sind froh, wenn wir nicht allein bleiben müssen. Ich glaube, dass diese Stimmungen wichtig sind, weil sie etwas ins Zentrum rücken, was manchmal vergessen zu gehen droht: dass wir nicht allein auf der Welt sind und sich unsere Stärke auch am Wohl der Schwächsten bemisst.
So bleiben schliesslich zwei Erkenntnisse: Erstens: Die kurzen, kalten Tage bringen die Menschen einander näher. Zweitens: So stärken die Festtage die Solidarität in unserer Gesellschaft.
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