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Stadtratskolumne

Filippo Leutenegger

Lieber Harald Naegeli

Gut, dass wir uns bald treffen. Das Bezirksgericht hat uns zum Gespräch aufgefordert, anstatt ein Urteil zu fällen. Unkonventionell! Du musstest dich wegen Sachbeschädigung verantworten. Einmal mehr. Als oberster Verantwortlicher für die Sauberkeit muss ich mich heute mit dieser jahrzehntelangen Geschichte beschäftigen.

Der Sachverhalt ist klar, und den endlosen Streit, ob deine Bilder Kunst sind oder nicht, können wir uns schenken. Es geht einzig um dein bewusst anarchisches Vorgehen. Dieses ist Teil deiner Kunst. Und das ist das Problem.

Deine Bilder kommen ungefragt, die Besitzer deiner Arbeitsflächen haben nichts dazu zu sagen. Gemäss Tagi-Kommentatorin soll dein «Gespür» entscheiden, wo ein Bild hinkommt. Hausbesitzer wären somit zur Übernahme deines Geschenks verpflichtet. Die Stadt, die deine Bilder entfernt, sollte dir «für Geringschätzung» ein Schmerzensgeld bezahlen, schwadroniert dieselbe Autorin im «Tages-Anzeiger». Es nimmt mich wunder, was Pietro Supino, VR-Präsident des Tagi-Verlags, täte, wenn du seinen Glaspalast ungebeten versprayen würdest. Ob er deine Werke stehen liesse, oder ob er sie wegmachen und dir dafür ein Schmerzensgeld zahlen würde. Mehr als 3500 Anzeigen haben wir pro Jahr wegen Sprayereien! Wer ertappt wird, bezahlt die Reinigungskosten. Kein Künstler kann für seine Werke nach Gutdünken fremdes Eigentum brauchen. Diese Prinzipien akzeptierst du aber nicht. Was sollen wir denn tun? Die Stadtreinigung ist kein Kunstgremium, das zwischen Kunst und Schmiererei unterscheiden kann. Du möchtest ungestraft immer und überall sprayen. Das geht nicht. Man müsste dir einen Freipass ausstellen. Doch was sollen wir mit anderen Sprayern tun, die sich ebenfalls als Künstler sehen und eine Fangemeinde haben?

Wir werden einiges zu besprechen haben. Ich bin gespannt darauf.

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